Soll ich noch hinzufügen, daß mir dieser Schritt schrecklich schwer geworden ist? […] Wer mich nur ein wenig gekannt hat, der weiß, daß die Verzweiflung der letzten Jahre in dem hoffnungslosen Bemühen ihren Grund hatte, der Wahrheit Gottes, die von mir Gehorsam forderte, auszuweichen … Was ich getan habe, das habe ich von meinem Gewissen gezwungen – um nicht von Gott verworfen zu werden – getan.
Erik Peterson Grandjean, geboren am 7. Juni 1890 in Hamburg, aufgenommen in die Kirche am 22./23. Dezember 1930, gestorben am 26. Oktober 1960.
Dem aus Hamburg von schwedisch-französischen Vorfahren stammenden Peterson war im Elternhaus eine im engeren Sinne christliche Prägung nicht zuteil geworden, doch begann er unter dem Einfluß pietistischer Strömungen im Jahr 1910 das Studium der Evangelischen Theologie. Noch in diesem Sommer wurde ihm ein intensives Erweckungserlebnis zuteil, daß ihn wohl für den Rest seines Lebens vor rationalistischem Glaubenszweifel bewahrte.
Der nicht sehr zielstrebige Aufbau seines Studiums und ein schon zu diesem Zeitpunkt auftretendes “Nicht-hinein-passen” in herkömmliche evangelisch-theologische Tätigkeitsfelder hinderten nicht, daß Peterson sich 1920 habilitierte, mit einer Arbeit, die sich bewußt auf die “aus den Quellen geschöpfte Kenntnis des Stoffs selbst” bemühte, und mit der er sich aus den Fesseln der ‘religionsgeschichtlichen Schule’ löste.
Ein höchst anspruchsvolles Lehrprogramm (u.a. über Th. v. Aquin) und intensive Kontakte zu den theologischen Größen der Zeit folgten und 1925 trat Peterson in einer aufsehenerregenden Streitschrift hervor: „Was ist Theologie?“, in der er sich gegen die Dialektische Theologie und besonders die Positionen R. Bultmanns wandte.
Mit der Annahme des Rufs an die Theologische Fakultät der Universität Bonn erhielt Peterson nun auch konkreten Einblick in katholisches und monastisches (Maria Laach) Leben. Die hierher rührende Bekanntschaft mit Carl Schmitt führte Jahre später, 1935, zu der Studie: „Monotheismus als politisches Problem“, denn Schmitt hatte 1922 den Begriff der „politischen Theologie“ erneut in die Diskussion eingeführt. Peterson wandte sich darin gegen jeden Versuch, den Glauben zur Rechtfertigung einer politischen Situation zu mißbrauchen.
Ende der 1920er Jahre verstärkten sich in Bonn die schon einige Zeit andauernden Vorwürfe des “Kryptokatholizismus”, die Peterson, der seine Zugehörigkeit zum Protestantismus als “Treueverhältnis” auffaßte, immer aus Überzeugung zurückgewiesen hatte, auch wenn sein inneres Ringen wohl schon etliche Jahre andauerte. Sein 1928/29 publizierter “Traktat über die Kirche” baute auf den Ergebnissen anderer protestantischer Historiker wie Karl Holl auf, nach denen es schon in der Jerusalemer Urgemeinde göttliches Recht und apostolische Sukzession gab, diese also nicht Produkte einer imaginierten “frühkatholischen” Entwicklung waren, sondern letztlich in der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu wurzelten.
Die Reaktion seiner Kollegen in der evangelischen Theologie war, das Werk totzuschweigen. Peterson resignierte und gab, auch unter dem Eindruck der Aussichtslosigkeit seines Weiterkommens an der Uni Bonn, die Lehrtätigkeit dort auf.
Im Lauf der ersten von vier Romreisen erfolgte zu Weihnachten 1930 die Konversion.
Jahre unsteten Aufenthalts und höchst prekärer wirtschaftlicher Verhältnisse schlossen sich an, denn leider Gottes blieb Peterson, obwohl nun heimgekehrt, und an der Richtigkeit dieses Schritts niemals zweifelnd, ein kritisch beäugter Außenseiter, von einigen positiven Ausnahmen aus dem Bereich der römischen Hierarchie und des deutschen Klerus in Rom einmal abgesehen. Seiner im Juni 1933 mit der Römerin Matilde Bertini geschlossenen Ehe wurden 5 Kinder geschenkt und die Nachkriegszeit sah eine maßvolle “Rehabilitierung” im deutschen akademischen Bereich. Petersons theologisches Werk gilt bis heute als unausgeschöpft, wird aber immerhin, und zwar in Mainz, angemessen editorisch betreut, ein Verdienst von Karl Kardinal Lehmann!
Im Rahmen eines vatikanischen Symposiums zu Petersons 50ten Todestag (und der 80ten Wiederkehr seiner Konversion!) im Jahr 2010 nannte Papst Benedikt seine Werke einen Geheimtip“ und fuhr fort:
“Ich bin auf die Figur von Erik Peterson erstmals 1951 gestoßen; damals war ich Kaplan in Bogenhausen, und ich habe ihn mit wachsender Begier gelesen und mich von ihm ergreifen lassen. Denn hier war die Theologie, nach der ich suchte. So habe ich an ihm wesentlich und tiefer gelernt, was eigentlich Theologie ist, und auch die Bewunderung dafür gehabt, daß hier nicht nur Gedachtes gesagt wird, sondern daß dieses Buch Ausdruck eines Weges, die Passion seines eigenen Lebens war.“
Gereon Lamers
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