Statim quippe cum fine huiusce sententiae, quasi luce securitatis infusa cordi meo, omnes dubitationis tenebrae diffugerunt.
Augustinus Aurelius, geboren am 13. November 354, aufgenommen in die Kirche 24./25. April 387, gestorben am 28. August 430, Bischof und Kirchenlehrer, einer der vier lateinischen Kirchenväter.
Im Sommer 386 befand sich der Rhetoriklehrer Augustinus in einer schwerwiegenden Lebenskrise. Gerade auf intellektuellem Gebiet unbefriedigt von den Lehren des Manichäismus, denen er jahrelang angehangen hatte, rang er, unter dem Einfluß des Bischofs Ambrosius und sicher auch weiterhin seiner Mutter Monika, mit dem Christentum, mit der Bibel. Mitte oder Ende August wurde ihm eines der gewiß berühmtesten Bekehrungserlebnisse der Geschichte zuteil: „Tolle, lege!“, „Nimm und lies!“
Ambrosius taufte ihn zum folgenden Osterfest. Sein Einfluß auf das abendländische Denken ist schwer zu überschätzen.
Dicebam haec, et flebam, amarissima contritione cordis mei. et ecce audio vocem de vicina domo cum cantu dicentis, et crebro repentenis, quasi pueri an puellae, nescio: tolle lege, tolle lege. Statimque mutato vultu intentissimus cogitare coepi, utrumnam solerent pueri in aliquo genere ludendi cantitare tale aliquid, nec occurebat omnino audisse me uspiam: repressoque impetu lacrimarum surrexi, nihil aliud interpretans divinitus mihi iuberi, nisi ut aperirem codicem et legerem quod primum caput invenissem. […]
Arripui, aperui et legi in silentio capitulum, quo primum coniecti sunt oculi mei: ‘Non in comissationibus et ebrietatibus, non in cubilibus et inpudicitiis, non in contentione et aemulatione, sed induite dominum Iesum Christum, et carnis providentiam ne feceritis in concupiscentiis.’
Nec ultra volui legere, nec opus erat. Statim quippe cum fine huiusce sententiae, quasi luce securitatis infusa cordi meo, omnes dubitationis tenebrae diffugerunt.
So sprach ich und weinte in der größten Bitterkeit meines Herzens. Und siehe, ich höre da aus dem benachbarten Hause die Stimme eines Knaben oder eines Mädchens in singendem Tone sagen und öfters wiederholen: „Nimm und lies, nimm und lies„ Sogleich veränderte sich mein Gesichtsausdruck, und aufs angestrengteste begann ich nachzudenken, ob etwa die Kinder bei irgendeinem Spiele etwas Derartiges zu singen pflegten, aber ich entsann mich nicht, jemals solches gehört zu haben. Da hemmte ich den Strom meiner Tränen und stand auf; konnte ich mir doch keine andere Erklärung geben, als daß eine göttliche Stimme mir befehle, die Schrift zu öffnen und das erste Kapitel, auf das ich gestoßen, zu lesen. […]
Ich griff nach ihnen, öffnete sie und las für mich das Kapitel auf das zuerst meine Augen fielen: „Nicht in Schmausereien und Trinkgelagen, nicht in Schlafkammern und Unzucht, nicht in Zank und Neid; sondern zieht den Herrn Jesus Christus an und pflegt nicht des Fleischs in seinen Lüsten“. (Röm 13,13f.)
Ich wollte nicht weiterlesen, es war auch nicht nötig; denn bei dem Schluß dieses Satzes strömte das Licht der Sicherheit in mein Herz ein, und alle Zweifel der Finsternis verschwanden.
(Confessiones, Buch 8, Kapitel 12)
Gereon Lamers
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