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Nah und Fern im Geist

 

„Wie nah sind uns manche, die tot sind, und wie tot sind uns manche, die leben.“

(Wolf Biermann, Der Hugenottenfriedhof)

Kennen Sie das? Man stolpert über ein Zitat, sagt sich: „Ja, genau!“ und bemerkt, wenn man nur einen Moment länger drüber nachdenkt, in welchem Ausmaß man quasi automatisch auch schon ein bestimmtes Vorverständnisses gleich mitdenkt. So ging es mir mit der obigen Zeile von Wolf Biermann. Nur daß sich herausstellte, mein Vor-Verständnis war ein Miß-Verständnis, jedenfalls ein chronologisches.

Denn weil ich mich in Biermanns Werk nun nicht gerade intensiv auskenne, dachte ich: „Ach ja, der alte Sozialist. Da ist er im vorgerückten Alter doch zu einer sehr vernünftigen Position gelangt.“ Nur um bei näherer Recherche festzustellen: Das Lied stammt bereits aus dem Album „Warte nicht auf beßre Zeiten“ von 1973! Also drei Jahre vor seiner Ausbürgerung und deutlich bevor er sich von der Idee des Sozialismus abwandte, was nach eigenem Bekunden „Anfang der 80er Jahre“ geschah. Und so werden denn auch in dem Text des Liedes, dem die Zeile als Refrain (!) dient, auf dem „Hugenottenfriedhof“ alle möglichen „sozialistischen Heiligen“ besungen, bzw. „besucht“: Liebknecht und Luxemburg, Heartfield und Brecht, aber auch Helene Weigel und, sehr stimmig, Hegel.

Zehn Jahre später, Wolf Biermann ist schon lange zwangsweise im „Westen“, singt Roland Jahn diese Zeilen in der Stasi-Haft vor sich hin, bis auch er abgeschoben wird.

Wenn man es recht betrachtet, glaube ich, wird schon aus diesen wenigen Worten klar, warum Biermann im real existierenden Sozialismus nicht klarkommen konnte.

Denn warum hat er recht mit seiner Feststellung von der (möglichen) Nähe der Toten? Weil wir geistige Wesen sind!

Wer so etwas formulieren konnte, der konnte in einem System, dessen Weltanschauung den „Historischen Materialismus“ verfocht, nur scheitern. Und der war offensichtlich der jüdischen Tradition seiner Vorfahren letztlich immer schon stärker verpflichtet als der kommunistischen. Schade, daß es solange dafür brauchte, wie für so viele gute Köpfe im fürchterlichen 20. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Ideologien.

Wie gut haben wir es doch. Wir wissen, daß wir geistige Wesen sind, ja mehr, viel mehr noch, wir wissen auch, wer es ist, der diese Existenzform verbürgt, denn: „Gott ist Geist […]“ Joh 4, 24

„Dank sei dem HErrn, der mich aus Gnad in seine Kirch berufen hat […]!“

Und hier, in großem Respekt für die Bereitschaft zu lebenslanger geistiger Beweglichkeit, das Lied auf Youtube, auch wenn’s sonst in die Musik auf PuLa so gar nicht paßt:

 

PS: Ich kann es mir doch nicht verkneifen! Schauen Sie mal, was ein anderer Blog (nicht Teil der Blogozese!) aus dem Zitat macht und versäumen Sie nicht, auch den (kurzen) Menüpunkt „Warum ich schreibe“ zu lesen. Es gibt eine Art von Egozentrik, die macht mich (beinahe) sprachlos (Dann spiegeln Sie sich mal schön, „Peter“…).

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