„Der bekannte radikale Philosoph Slavoj Zizek weist seine Zuhörer regelmäßig darauf hin, daß es in unserem Zeitalter der ‚abgesegneten Grenzüberschreitungen‘ nichts gibt, das ganz so radikal ist wie das, was G.K. Chesterton die ‚aufregende Liebesgeschichte Orthodoxie‘ nannte. So wird in unserem trunkenen Zeitalter die Orthodoxie für Zizek (den kämpferischen Atheisten) wie für Chesterton (den traditionellen Katholiken) zur ‚dunkelsten und wagemutigsten aller Grenzüberschreitungen‘.“
So schrieb Ashley Woodiwiss schon 2005 in Christianity today (und es darf gerne jeder an meiner Übersetzung rummäkeln; wenn er denn bessere Vorschläge hat 🙂 , Originaltext unten)
Wer mit den Werken des großen Chesterton ein bißchen vertraut ist, weiß natürlich; „Orthodoxie“, das meint hier weder die orthodoxen Kirchen, noch im engeren Sinne die „rechte Lehre“, sondern das, was Chesterton selbst „den Glauben der Apostel“ (the creed of the apostles) nannte. Traditionelles christliches Denken und Handeln, Einstellungen und Lebensführung (was er, klar!, in der römischen Kirche und ihrer Lehre idealtypisch verwirklicht sah).
Für Woodiwiss war das der Aufhänger, um über die überaus interessante angelsächsische theologische Strömung der Radical Orthodoxy zu berichten (vgl. letzter Satz englisches Original); es lohnt sich sehr , den ganzen Artikel zu lesen!
PuLa hingegen möchte seine Leser bitten, sich das einen Moment auf der Zunge zergehen zu lassen: Da bescheinigt uns ein prominenter Vertreter der postmodernen Philosophie (über die man viel sagen kann, aber zeitgenössisch ist sie ganz gewiß) in ironischer Weise nichts weniger, als daß wir heute eigentlich die einzig Interessanten seien! Daß es eine mutige, nein, fast die mutigste Haltung ist, die man heutzutage einnehmen kann, z.B. die christliche Ehe zu verteidigen. Daß wir vor allem eines nicht sind: langweilig.
Langweilig sind nämlich die, die immer noch nicht verstanden haben, daß sich die Kämpfe wie die Versprechen der Moderne mittlerweile schlicht erledigt haben. Das (philosophische) Denken hat sich gewandelt und, siehe, nachdem der Staub sich verzogen hat ist das traditionelle Christentum noch da und sieht, gerade in den Augen etlicher Betrachter von außen, attraktiver aus, denn je.
Wer also immer noch in den Schützengräben der 60er Jahre steckengeblieben ist, egal auf welcher Seite: „Rauskommen!“ Da fällt schon lange der Schuß nicht mehr.
Und wer sich hat einreden lassen, als traditionsverbundener Christ und als Katholik ganz besonders sei man ja eigentlich eine zum Aussterben verurteilte Rand- und Resterscheinung: „Den Kopf hochnehmen!“ Dann sieht man besser. Unerwartete Verbündete, z.B.
Und mit Joseph Ratzinger/Benedikt XVI empfangen wir bald einen Papst, der intellektuell noch nie in diesen Gräben gestanden hat (weshalb ihn ja „Kritiker“, die ihm geistig nicht das Wasser reichen können, auch nicht einzuordnen vermögen, wie z.B. das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung). Hier in unserer „Diaspora“, wo manche am liebsten immer noch vor allem geistig in Ruhe gelassen werden wollen, dürfen wir ihn empfangen. „Aufwachen und mit-machen!“ Und mit-denken. Und zuversichtlich und treu nach Rom schauen.
Denn dann werden wir alle miteinander wie der Igel fröhlich sagen können: „Ich bin all hier!“
Und wenn jemand möchte, hier noch ein bißchen mehr Zizek (allerdings auch auf englisch).
Originaltext:
(As the popular radical philosopher Slavoj Zizek routinely points out to his audiences, in our age of ordained transgressions, there is nothing quite so radical as what G.K. Chesterton called the „thrilling romance of orthodoxy.“ Thus in our besotted age, orthodoxy becomes for Zizek (the fighting atheist) as for Chesterton (the traditionalist Catholic), „the most dark and daring of all transgressions. We ought not to be surprised then, that at the dawn of the 21st century a movement dubbed Radical Orthodoxy (RO) has emerged at the cutting-edge of theology and postmodern philosophy.“)
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[…] Sätze wie die folgenden sind einfach Balsam für jemanden, der vor kurzem schon mal schrieb: „das (philosophische) Denken hat sich gewandelt“ und meint, es sei dringend an der Zeit, den Kopf hochzunehmen und über den Tellerrand zu gucken […]
[…] Beide haben Slavoj Zizek rezipiert! Vor über einem Jahr haben wir uns auf diesen Seiten mit der nur auf den ersten Blick überraschenden Position des bekannten postmodernen Philosophen beschäftigt, daß es gerade das traditionelle Christentum ist, das entweltlichte, sozusagen, das am allerwenigsten „uninteressant“, bzw. langweilig ist (ggf. hier nachlesen). […]
[…] folgende Text, ursprünglich veröffentlicht am 1. September 2011 (hier) wurde geschrieben, ganz in der Vorfreude auf den Papstbesuch wenige Tage später. Inhaltlich gibt […]
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