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Das Klonschaf, Ein Schafsketchlet zum dritten Advent

Das Klonschaf

Ein Sketch für fünf Schafe und beliebig viele Schafstatisten

 

Wundersdorf, Schafweide. Die Schafe grasen friedlich und stehen in kleinen Gruppen zusammen. Wir nähern uns der Gruppe um Kohle, Wolle und Flocke und hören mal, was sie zu besprechen haben.

Wolle: Kohle, was ich dich die ganze Zeit schon fragen wollte …

Kohle: Was denn?

Wolle: Warum warst du eigentlich vor zwei Wochen so durch den Wind, daß du unseren Auftritt versemmelt hast und dann plötzlich bei Edith und Richard in der Küche standest ? War das echt nur wegen Nikolaus?

Kohle: Nikolaus? Wieso wegen Nikolaus? Nein! Überhaupt nicht! Nicht wegen Nikolaus, nein!

Wolle: Ja, aber warum denn dann?

Kohle (seufzt): Weil hier größere Veränderungen anstehen und ich nicht weiß, wie die Herde damit fertig werden wird. (Er guckt ernst.)

Wolle und alle Umstehenden (durcheinander): Wieso? – Was denn? – Was für Veränderungen? – Welche Herde?

Kohle: Ach, das reicht eine ganze Weile zurück … Bis zu einer Bemerkung unseres Hirten in der Kirchweihmesse einer Filialgemeinde …  „Manche Ehrenamtler würde man gern zerteilen, damit man sie mehrmals hat“

Flocke: Ja … und? Das war doch nur so daher gesagt.

Grauchen: Kann ja gar nicht anders.

Kohle (ernst): Als ich neulich wieder zur Kinderwallfahrt des Bistums in den Streichelzoo in die Hauptstadt eingeladen war, habe ich zufällig aufgeschnappt, daß da wohl leider weit mehr dahintersteckt.

Die Schafe: Jetzt bin ich aber neugierig! – Und was? – Schieß los! – Das gibt’s doch gar nicht!

Kohle: Habt ihr mal was vom Klonen gehört?

Wolle: Äh, im Prinzip schon, klar. Und?

Kohle: Und an wem haben diese sogenannten Wissenschaftler das Klonen damals ausprobiert?

Blütenweiß (ist womöglich noch blasser geworden): Du meinst …

Kohle: … an einem Schaf, genau!

Die Schafe (in wilder Aufregung): Das können sie doch nicht machen! – Auf was willst du raus? – Jetzt sag bloß nicht …

Kohle: Doch! Ganz genau: Sie wollen das jetzt an unserer Herde testen – und ihr dürft dreimal raten, wer sich sofort freiwillig gemeldet hat?

Die Schafe stehen eine Schrecksekunde lang sprachlos da. Dann:

Flocke (trocken): Krutzi.

Wolle (ebenso): Klar!

Grauchen (ebenso): Es ist doch immer dasselbe.

Kohle: Krutzi. Nach meinem jetzigen Informationsstand wollen sie Krutzi klonen.

Die Schafe sind verstummt und sehen sich betroffen an. Nach einer Weile:

Wolle: Dann haben wir Krutzi hier mehrmals?

Flocke (schlägt sich die Vorderhufe um die Stirn): Buhuhuhuhuhuuuu!

Grauchen: Das ist … das kann doch nicht … das überlebt die Herde nicht … Ich meine: Jede Intrige vervielfacht …

Wolle: Dann gibt’s bald gar kein Herdenleben mehr – dann geht’s nur noch um Zäune und Ställe!

Blütenweiß (vorsichtig): Ähm … Moment mal … Vielleicht neutralisieren die Krutzis sich ja auch gegenseitig?

Kohle (verblüfft): Wie meinst du das?

Blütenweiß: Naja … ich meine … Krutzis Problem ist doch, daß sie niemanden neben sich duldet … ich vermute, auch nicht sich selbst. Vielleicht machen sich die beiden Krutzis dann gegenseitig das Leben zur Hölle (immer heiterer) und wir können endlich wieder ein normales Herdenleben aufbauen.

Wolle (leise): Aber … überlegt mal … Klonschafe werden ja nicht gebaut, sondern geboren … der Krutzi-Klon wäre ja dann erstmal ganz klein … ein Lämmchen …

Flocke (ergriffen): Du hast recht! Völlig schutzlos!

Grauchen (in Aufwallung): Das müßten wir unbedingt vor Krutzi beschützen!

Blütenweiß: Du hast recht! Also, auch wenn es Krutzi wäre: Erstmal wäre es klein und unschuldig.

Die Schafe blicken sich betroffen an, aber das Entsetzen ist vollständig einem diffusen Mitgefühl gewichen.

Kohle: Wer weiß … vielleicht würde dann gar keine Krutzi aus dem Kleinen?

Wolle: Wie meinst du?

Kohle: Na, so aggressiv wie Krutzi kommt man doch nicht auf die Welt. Bestimmt hatte sie als Lämmchen irgendwelche traumatischen Erlebnisse … und wenn man das Kleine davor bewahrte …

Blütenweiß: Dann könnte vielleicht sogar Krutzi … Ich meine: Vielleicht wäre es eine Riesenchance für sie, sich selbst noch einmal wachsen zu sehen … sich falscher Weichenstellungen und falscher Entscheidungen zu erinnern und verschüttete Verletzungen aufzuarbeiten …

Grauchen (die Augen füllen sich mit Tränen): Arme Krutzi …

Wolle (mit brechender Stimme): … und sie hätte die Chance, anders zu werden, weil sie sähe, daß sie sich gar nicht so verhalten muß, wie sie es ständig tut … daß sie in jedem Moment die Wahl hat …

Flocke (leise): Bestimmt hat sie Furchtbares durchgemacht, bis sie so geworden ist …

Kohle (impulsiv): Kommt, wir packen sie ein und wärmen sie ein bißchen!

Grauchen (schon im Gehen): Das haben wir früher viel öfter gemacht!

Die Schafe galoppieren zu Krutzi, die gerade wieder irgendwelche Lämmchen zusammenstaucht und umrunden sie.

 

ENDE

Cornelie Becker-Lamers, Weimar

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