Was auf Twitter schnell „#Marxgate“ geheißen wurde, die häßlichen Bemerkungen des Vorsitzenden der DBK zu Bloggern in der Gefahr der „Verblödung“, liegt schon ein paar Tage zurück, sie fielen am 24. September anläßlich der Abschlußpressekonferenz der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe; viel ist dazu geschrieben worden und auch auf PuLa haben wir die Sache behandelt, hier.
Warum noch einmal darauf zurückkommen? Und warum jetzt erst? Die Antworten auf beide Fragen hängen eng miteinander zusammen.
Was mir an den Beiträgen, die ich zu dem Vorfall gelesen habe, etwas zu kurz kam, war die Rolle des Fragestellers, oder soll man sagen des Stichwortgebers?
Haben Sie den Text der Frage noch im Ohr? Er lautete wie folgt:
„Werden Sie auch seitens der DBK entschiedener gegen innerkirchliche Fundamentalisten vorgehen, die z.B. bei solchen Seiten wie katholisches.info (äh) oder anderen Bereichen sich austoben? Es wird ja immer so getan, als wenn es nur im Islam Fundamentalismus gibt, beide christlichen Kirchen kennen den ja nun auch in allen möglichen Formen.“
Ich finde, da kommen Vorstellungen und Haltungen zum Ausdruck, die es neben der Antwort des Kardinals auch wert sind, beleuchtet zu werden, zumal, was etliche Blogs auch schon bemerkt hatten, es sich offenbar um einen Priester zu handeln schien, der da nach „entschiedenerem Vorgehen“ gegen andere Katholiken rief.
Schnell reifte der Wunsch, dem Betreffenden einige Fragen zu stellen und es dauerte in der ebenso gut informierten wie gut vernetzten Blogoezese auch gar nicht lang, da hatte der treffliche Peter Winnemöller von katholon den wahrscheinlichen Namen ausfindig gemacht (Danke, Peter!).
Weil man ja nun mit der öffentlichen Nennung von Namen sehr vorsichtig sein soll, habe ich mir viel Mühe gemacht, die Identität zu verifizieren, was ein Grund für die lange Dauer bis zu diesem Eintrag war (die Fragen waren letzten Montag schnell fertig!). Heute gibt es an dem, was nun folgt, keinen vernünftigen Zweifel mehr.
Es handelte sich bei dem Fragesteller um Hw. Pfr. Gereon Lemke, der (wie man dem Vornamen unschwer entnehmen kann) aus dem Erzbistum Köln stammt, jetzt aber als Klinikseelsorger des Erzbistums Hamburg in Kiel am dortigen Universitätsklinikum tätig ist (vgl. hier, hier und hier).
Pfr. Lemke ist nebenbei als Berichterstatter für die „Neue Kirchenzeitung“ tätig, in deren Auftrag er auch in der Bibliothek des Priesterseminars in Fulda an der Pressekonferenz teilgenommen hat.
Da entsprechend seiner Tätigkeit die E-Mail-Adresse von Pfr. Lemke öffentlich zugänglich ist (vgl. oben), waren die Fragen auch schnell versandt (am 28. September). Als nach zwei Tagen keine Antwort zu verzeichnen war, habe ich es noch von einer anderen E-Mail-Adresse aus versucht, man weiß ja nie, was Spam-Filter heutzutage so alles aussondern. Keine Reaktion. Dann habe ich eine dritte Seite gebeten, Pfr. Lemke von meinem Gesprächswunsch zu unterrichten, eine Stelle, die mir die Übermittlung des Wunschs auch prompt bestätigt hat, und von der ich ganz sicher sein durfte, daß sie zu ihm in ständigem Kontakt steht. Das war am vergangenen Mittwoch (30. September). Vorgestern, am 1. Oktober, habe ich Pfr. Lemke ein drittes Mal angeschrieben, ob er sich vor einer Veröffentlichung wirklich nicht selbst äußern wolle. Keine Reaktion.
Jetzt wissen Sie, warum dieser Beitrag nicht früher erscheinen konnte. Was dieser Fall uns lehrt in Bezug auf die Frage, wer sich wirklich um Dialog und Fairneß bemüht, das überlasse ich Ihrem eigenen Urteil (vgl. dazu bereits auch hier).
Und was ich von den Fragen und der Haltung denke, die so offenkundig dahinter steht, das mögen Sie dem einseitigen Versuch der Kommunikation mit einem Seelsorger entnehmen, den Sie im folgenden selber lesen können.
Lamers an Lemke, 28.9.2015:
Hochwürden!
Sehr geehrter Herr Pfarrer Lemke,
wenn ich recht unterrichtet bin, waren Sie es, der im Rahmen der Pressekonferenz zum Abschluß der Herbstvollversammlung der DBK in Fulda am vergangenen 24. September dem Vorsitzenden, Reinhard Kardinal Marx, die Frage nach den „Maßnahmen gegen innerkirchliche Fundamentalisten“ gestellt hat, als „Korrespondent“ der „Neuen Kirchenzeitung“ im EB Hamburg.
Falls das zutrifft, würde ich mich sehr freuen, wenn Sie sich zu den unten folgenden Fragen äußern könnten, falls nicht bitte ich um Entschuldigung, Sie belästigt zu haben!
Wie Sie gewiß verfolgt haben werden, hat die Antwort, die Kardinal Marx auf Ihre Frage gegeben hat, unter den deutschsprachigen katholischen Bloggern, in der ‚Blogoezese‘, wie wir gerne sagen, zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Ich bin selber Betroffener, denn auch mich hat Kardinal Marx auf Ihre Frage hin undifferenziert als potentiell „Verblödeten“ bezeichnet, als jemanden, der bloß noch selbstreferentiell und innerhalb engster Kreise andere Menschen erniedrige und ergo (potentiell) nicht mal mehr ein Christ sei. Was ich persönlich davon halte, habe ich auf unserem (meine Frau und ich bloggen gemeinsam) Blog ‚Pulchra ut Luna‘ (www.pulchra-ut-luna.de) kurz dargelegt und viele Kolleginnen und Kollegen haben über die Angelegenheit viel Kluges geschrieben. Wenn Sie es über sich gewinnen können, eine Seite wie „kath.net“ zu besuchen, können Sie dort den hervorragenden Brief der Kollegin Claudia Sperlich lesen, der uns und sicher vielen weiteren Bloggern (weitestgehend) aus dem Herzen spricht (http://kath.net/news/52219).
Lassen Sie mich bitte bevor ich meine Fragen stelle deutlich sagen, daß auch ich Äußerungen im Netz kenne, die sich „katholisch“ und „traditionalistisch“ nennen, aber beide Bezeichnungen (ja, gerade auch die zweite!, vgl. https://einfachentfachend.wordpress.com/2015/09/25/das-falsche-gerede-vom-katholischen-fundamentalismus/ ) nicht verdient haben und zum Teil ausgesprochen abstoßend sind, im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus!
Ungeachtet dessen finde ich an dem o.g. Brief eines nicht so ganz gelungen, das ist die undifferenzierte Übernahme des Begriffs „Fundamentalismus“, was mich auch gleich zur ersten Frage an Sie bringt:
1) Was verstehen Sie unter „Christlichem Fundamentalismus“, vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache, daß Sie in Ihrer Fragestellung explizit mit dem Fundamentalismus im Bereich des Islam parallelisieren?
2)Wo wirken sich die beiden (von Ihnen so wahrgenommenen) Phänomene Ihrer Meinung nach in einer Art und Weise aus, daß die Vergleichbarkeit gegeben ist?
3) Haben Sie dafür auf „Katholisches.info“ oder den von Ihnen so genannten „anderen Bereichen“, vor allem aber von deutschsprachigen Blogs Beispiele?
4) Haben Sie die Formulierung „innerkirchliche Fundamentalisten“, mit der Sie ja kein abstraktes Phänomen („Fundamentalismus“), sondern konkrete Personen, konkrete Menschen ansprachen, bewußt gewählt? Wenn ja, welche Menschen meinen Sie damit?
5) Was meinen Sie mit dem Wort „vorgehen“ gegen solche Menschen? Welche Maßnahmen schlagen Sie vor?
6) Da Sie den Komparativ benutzen („entschiedener“), wo sehen Sie bereits heute ein „Vorgehen“ der DBK gegen das von Ihnen wahrgenommene Phänomen? Haben Sie in dem Zusammenhang eigentlich das Gefühl, der Vorsitzende der DBK habe Ihre Frage beantwortet?
7) Ist Ihnen bekannt, daß der Pressesprecher der DBK, Herr Matthias Kopp, sich bereits im Jahr 2013 offiziell mit Vertretern der Blogoezese getroffen hat (ich durfte persönlich dabei sein)?
8) Was verstehen Sie unter der Formulierung „beide [d.h. zwei] christliche Kirchen“?
9) Besteht die Absicht, das Thema in der “Neuen Kirchenzeitung“ redaktionell zu behandeln?
10) Wie bewerten Sie als Priester, als Seelsorger, die Wirkung Ihrer Frage in den Äußerungen von Kardinal Marx? Schließen Sie sich seiner Diktion an, oder hätten Sie sich eine Differenzierung gewünscht?
Speziell im Hinblick auf die letzte Frage möchte ich darauf hinweisen, daß etliche Kolleginnen und Kollegen (wir dürfen uns da einschließen) sich seit vielen Jahren bemühen, das Verhältnis zu den offiziellen kirchlichen Stellen zu verbessern, überhaupt ein Gespräch zustande zu bringen, bzw. zu unterhalten. Von (ganz) wenigen kirchlichen Angestellten wurden wir darin unterstützt.
Ist Ihnen bewußt, daß durch die Antwort, die Ihre Frage ausgelöst hat, dieses Bemühen vermutlich um Jahre zurückgeworfen wurde, angesichts des Klimas der Angst, das in den Ordinariaten in Bezug auf Außenkontakte ja ohnehin vielfach herrscht?
Sie haben, ob Sie es beabsichtigt haben oder nicht, ob Sie es billigend in Kauf nehmen oder nicht, mitgeholfen, einer ganzen Reihe von Menschen, die auf ihre Art und Weise versucht haben, etwas für die Kirche zu tun, einen Schlag in die Magengrube zu versetzen, der noch lange wehtun wird.
Mit verbindlichem Gruß
Gereon Lamers
PS: Dies ist der Text, den ich den Fragen zugrunde gelegt habe:
[vgl. oben]
Lamers an Lemke, 30.9.2015:
Hochwürden!
Sehr geehrter Herr Pfarrer Lemke,
vorgestern (Montag, 28. September) habe ich Ihnen von der Redaktionsadresse meines Blogs eine E-Mail gesandt.
Vielleicht hat sich die Nachricht ja in einem Spam-Filter o.ä. „verfangen“, weshalb ich sie unten noch einmal anfüge.
Mit freundlichen Grüßen
G. Lamers
[folgte Text vom 28.9.2015]
Lamers an Lemke, 1.10.2015:
Hochwürden!
Sehr geehrter Herr Pfarrer Lemke,
da ich mittlerweile ja ganz sicher sein darf, daß mein Gesprächswunsch Sie erreicht hat, möchte ich doch noch einmal höflich um eine Reaktion auf meine Fragen bitten (die ich zur allergrößten Sicherheit aber auch erneut unten folgen lasse).
Wir sind ja beide nebenamtlich publizistisch tätig, und kennen also auch diese Grundregel der Öffentlichkeitsarbeit, die lautet: „Wenn ich nicht reagiere, wird ausschließlich über mich geschrieben“. Möchten Sie wirklich jede Gelegenheit, Ihre Sicht der Dinge darzulegen ungenutzt lassen?
Darüber hinaus kann ich Ihnen nicht verhehlen, daß es mich mehr als nur ein wenig enttäuschen würde, müßte ich tatsächlich zu dem Ergebnis kommen: Es ist eine Sache, in einem Schutzraum mit lauter Gleichgesinnten über Abwesende vom Leder zu ziehen, aber eine ganz andere, sich mit einem Betroffenen darüber zu unterhalten.
Im Augenblick kann man diesen Eindruck leider bekommen.
Mit freundlichen Grüßen
G. Lamers
[folgte Text vom 28.9.2015]
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