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Das Zaubermärchen

Der Meßbesuch 4/4

Ein Sketchlet zum vierten Advent für fünf Schafe, zwei Lämmchen und beliebig viele Schafstatisten

 

Wundersdorf, Schafweide vor den Toren der Stadt. Bei gemäßigten Temperaturen und dem einen oder anderen Sonnenstrahl zwischen hohen Wolken ruhen sich die Schafe der allseits bekannten Wundersdorfer Herde auf ihrer Weide im Gras aus. Ab und zu galoppiert ein Lämmchen mit seiner Mutter vorbei. Ab und zu läuft ein Schaf zur Tränke. Aber eigentlich passiert nichts. Gar nichts. Genau die richtige Atmosphäre, um die Ereignisse des hier und da doch wieder turbulenten Advent Revue passieren zu lassen, zu träumen und neue Pläne zu schmieden.

Kohle (schläfrig): „Süße Ruh’, süßer Taumel im Gras, von des Krautes Arom umhaucht“ … (Er gähnt.)

Flocke (fährt fort): „Tiefe Flut, tief, tief trunkene Flut, wenn die Wolk’ am Azure verraucht“

Wolle (ebenso): „Wenn aufs müde schwimmende Haupt süßes Lachen gaukelt herab“

Grauchen: „liebe Stimme säuselt und träuft wie die Lindenblüt’ auf ein Grab.“

Huf (hat von Zeile zu Zeile aufmerksamer zugehört und erhebt sich nun): Um Himmels Willen – was ist das?

Fixi: Kennst du das nicht?

Huf: Nein!

Flocke: Das ist das Gedicht „Im Grase

Wolle: Von Annette von Droste-Hülshoff.

Kohle (sozialkritisch): Hat früher jedes Lämmchen aus dem ff gekonnt!

Huf (betont): Entschuldigung?!

Grauchen: Wir wissen es, Liebes, ihr könnt nichts für die Lehrpläne …

Huf: Das mein ich aber auch!

Flocke: Umso wichtiger ist die Weide, von der man stammt!

Kohle: Dabei wollen sie gerade das verhindern! (Er seufzt und schüttelt sein weises Haupt.)

Fixi: Hauptsache, wir lernen es irgendwo!

Flocke: Ja! Es ist wunderschön. Vor allem ist wichtig, daß man es richtig betont. Als Anapäst. Nicht als Trochäus.

Huf: Verstehe. (Er macht das Betonungsmuster vor.) Süße Ruh!

Blütenweiß (kommt angeschlendert und spricht die Gruppe an): Na?!

Alle: Na?!

Blütenweiß: Denkt ihr auch noch immer an diese Messe im alten Ritus, in der wir am ersten Advent waren?

Alle: Schon! – Klar! – Immer mal – Ich fand das schön! – Das hatte was beruhigendes.

Blütenweiß (außerordentlich gesprächig): Ich fand das so witzig, wo eine Frau kam und fragte, ob jetzt hier sonntags eine Kinderbetreuung wäre – weil so viele Familien mit kleinen Kindern da waren.

Flocke: Das war wirklich witzig!

Wolle: Dürfte nicht vor jeder Kirche so vorkommen.

Blütenweiß: Ich finde, eine solche Messe sollte es auch bei uns geben.

Kohle: Da hast du zweifelsohne Recht, Blütenweiß!

Flocke: Stimmt! Wenigstens ab und zu.

Wolle: Einfach, damit alle es kennenlernen können!

Blütenweiß: Aber warum gibt es sie nicht? Hatte nicht Papst Benedikt das schon 2007 gewollt? Daß es überall angeboten wird, wo Interesse besteht?

Grauchen (nickt): Das war schließlich die Liturgie, die im Mittelalter über Jahrhunderte hinweg Europa im christlichen Glauben geeint hat …

Flocke: … um nicht zu sagen: ‚hervorgebracht‘.

Wolle: In der gewissenhaften Weitergabe der liturgischen Gesänge.

Kohle: Man sollte sie nicht dem Vergessen anheim fallen lassen – die Mutter der Notenschrift!

Grauchen: Tja – dann mal los: „Auf des Hechtes Geheiß“! (Sie lacht.)

Huf: Wieso Hecht?

Grauchen: Weil der so heißt.

Huf: Wer?

Flocke: Na, der Fisch!

Wolle: Sag nicht, das kennst du auch nicht?

Huf: Nein!

Blütenweiß: Ein russisches Märchen.

Grauchen: Da fängt einer einen Fisch und das ist ein Hecht und der Bursche schenkt ihm das Leben und zum Dank verrät ihm der Hecht einen Zauberspruch, der alle Wünsche erfüllt: „Auf des Hechtes Geheiß nach meiner Weis‘“ – und dann sagt man den Wunsch und die Sache geht ihren Gang.

Flocke: Dann fährt er auf dem Ofen zum Zaren.

Wolle: Oder die Axt hackt allein das Holz.

Blütenweiß (seufzt): So einen Zauberspruch müßte man haben!

Kohle (brummt): Hm! Die Anweisung von Papst Benedikt war eigentlich so klar, daß nur ein fauler Zauber die Alte Messe hier bei uns verhindern kann.

Huf: Na dann – machen wir uns an die Arbeit!

Flocke (rezitiert): „Dennoch, Himmel, immer mir nur/ Dieses Eine nur: für das Lied/ Jedes freien Vogels im Blau/ Eine Seele, die mit ihm zieht,/ Nur für jeden kärglichen Strahl/ Meinen farbig schillernden Saum,/ Jeder warmen Hand meinen Druck“ …

Alle: „Und für jedes Glück einen Traum“!

 

ENDE

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Na, da bin ich ja mal gespannt, was die Schafe erreichen! Immerhin leben sie nicht wie wir hier in einem Bistum, in dem die Alte Messe trotz aller formal korrekten Anträge seit über zehn Jahren ohne Begründung verbummelt und blockiert wird. Ob das neue Jahr in dieser Hinsicht etwas neues bringen wird? Wir werden sehen!

Zunächst wünschen die Schafe allen Leserinnen und Lesern ein gesegnetes Weihnachtsfest und freuen sich auf ihre Abenteuer im nächsten Jahr.

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