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Das Kreuzsteig-Fastentuch

Ein Sketch für vier Personen, fünf Schafe, zwei Lämmchen
und beliebig viele Schafstatisten

Wundersdorf, Oderbruch. Die allseits bekannte Schafweide vor den Toren der Stadt. Richard, Edith, Emily und Teresa nutzen die Sonnenstunden für einen Spaziergang zur Schafweide, um Kohle, Wolle, Flocke, Grauchen, Blütenweiß und die Lämmchen Fixi und Huf endlich einmal wieder zu besuchen. Wie immer finden sie die Schafe guter Dinge und sehr beschäftigt: Von der Tanne hängt ein großes Leinentuch herab. Irgendetwas ist darauf gedruckt, das sieht man, aber von weitem ist schwer zu erkennen, was es sein könnte. Außerdem scheinen die Schafe mit vereinten Kräften – ein – was ist das? Moment mal – ja! – ein altarähnliches kleines Bauwerk aufzurichten.

 

Edith (am Gatter): Kohle! Flocke! Fixi! Hu-uf!!!

Die Schafe schauen sich um und kommen auf Ediths Ruf hin zum Gatter gelaufen.

Kohle (öffnet das Gatter): Kommt rein! Das ist aber schön, daß ihr endlich mal wieder vorbeischaut!

Teresa (jammert): Das haben wir schon lange vor – und dann haben wir keine Zeit!

Flocke (mitleidig): Wenn du das schon sagst …

Die Familie schlendert neben den Schafen über die Weide in Richtung Tanne.

Richard: Sagt mal, was habt ihr denn da für eine Fahne aufgehängt?

Wolle: Eine Fahne ist das nicht!

Fixi: Das war eigentlich als Fastentuch gedacht.

Emily (versucht die Darstellung zu entziffern): Mit Spuren darauf?

Huf: Klauenspuren. Ja!

Teresa: Gefärbt mit Naturfarbstoffen sozusagen!

Kohle (stolz): Genau!

Edith: Toll! Und wo habt ihr den schönen Stoff her?

Kohle: Hat uns Silke beschafft. Ist ziemlich gutes Leinen! Ich glaube, sie hat es als Projekt beim Bonifatiuswerk angemeldet … Fastentuch gestalten mit Kindern oder so … schon floß das Geld! Wir Schafe geraten ja selten wirklich als Herde in den Blick.

Richard: Und auf dem Leinen seid ihr herumgetr… herumgelaufen?

Blütenweiß (errötet ein wenig): Auf Zehenspitzen, wie das so unsere Art ist …

Flocke: Es ist nämlich jetzt doch kein Fastentuch mehr, sondern ein Kreuzweg!

Edith und Emily (aus einem Munde): Ein Kreuzweg?!

Grauchen: Eigentlich eher eine Kreuzstiege … Himmelsleiter sozusagen …

Flocke: Deshalb hängt das Tuch auch von der Tanne herab.

Wolle: „Weg“ klingt ja immer so innerweltlich … aufeinander zu und so … 

Huf: … wie in „synodaler Weg“ …

Grauchen: Aber eigentlich sind wir ja alle unterwegs zu Gott!

Edith: Verstehe!

Richard: Das seht ihr ganz richtig!

Emily: Also ich weiß nicht … Kreuzstiege … ob sich so ein Begriff durchsetzen kann?

Teresa: „Kreuzweg“ ist so eingeführt!

Richard: Und der Weg nach Golgotha war ja auch ein Weg!

Edith (sieht den Unmut der Schafe steigen und will vom Thema ablenken): Aber sagt mal, warum macht ihr hier eigentlich euren eigenen Kreuzweg … oder Kreuzessteig auf?

Kohle (wichtig): Wir denken, wir müssen uns unabhängig machen!

Flocke: Falls die Stadt abgeriegelt wird …

Wolle: … und wir in Quarantäne müssen …

Blütenweiß: … und kein Priester mehr hierher kommen darf …

Grauchen: … und wir nicht mal mehr in die Nikolauskapelle!

Fixi (wichtig): Deshalb auch dieser kleine Altar hier (sie zeigt auf das undefinierbare kleine Bauwerk, an dem sich die ganze Zeit über einige Schafe zu schaffen gemacht haben.)

Richard (lacht auf): Um Himmels Willen, Schafe! Was macht ihr euch für Gedanken?

Emily: Habt ihr auch schon Vorräte angelegt?

Kohle (ein wenig pikiert, mit Hinweis auf die Weide): Das brauchen wir ja nicht. Futter ist da!

Flocke: Aber die geistige Nahrung vielleicht irgendwann nicht mehr!

Wolle: Eben! In München und Berlin haben sie schon Messen abgesagt!

Edith (stutzt): Messen abgesagt?

Fixi: Haben wir im Newsticker gelesen!

Richard (fassungslos): Aber … es … (mit neuem Anlauf) Da kann ich euch glaube ich beruhigen!

Kohle: Wieso?

Emily: Da sind kaufmännische Messen gemeint. Verbrauchermessen oder Tourismusbörsen und so.

Blütenweiß: Ehrlich?

Grauchen: Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen?

Richard: Ich glaube nicht, nein!

Kohle (konsterniert): Das ist ja … ja dann … aber trotzdem …

Edith: Auf jeden Fall wird der liebe Gott euren Eifer zu schätzen wissen!

Teresa: Und ihr habt mal wieder was gemeinsam auf die Beine gestellt!

Emily: Und wer weiß … vielleicht wird hier ja doch im Frühjahr oder Sommer mal eine Messe abgehalten. Zu Pfingsten vielleicht?

Richard: Wir können im Seelsorgeamt ja mal Bescheid sagen, daß hier ein 1A neuer Kirchort entsteht!

 

ENDE

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Ein Trackback/Pingback

  1. Pulchra ut Luna › Die Internetmesse on Sonntag, 29. März 2020 um 22:42

    […] Nun hat sich euer Weide-Altar ja doch noch als sinnvoll herausgestellt […]

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