Die Wallfahrtsabsage und andere Kollateralschäden
„Seit Beginn der Coronakrise starben in unseren Pflegeheimen und Krankenhäusern etwa 200.000 Menschen“, leitet die Pfarrerin und ehemalige Ministerpräsidentin Lieberknecht ihre Kritik an der Rolle der Kirche ein, „daß die Mehrheit trotz allen kirchlichen Einsatzes vor Ort einsam aus dem Leben schied. Mußte das sein? Nein.“ (TdH 28 vom 12. Juli 2020, S. 9, das ganzes Statement hier).
Was Christine Lieberknecht hier kritisiert, ist nicht mangelnder Einsatz einzelner Geistlicher, die zum Teil durchaus Wagnisse eingegangen sind – das erfährt man nur nicht, denn es war ja möglicherweise eine heldenhafte, weil heimliche Verbotsübertretung. Was Lieberknecht einfordert, ist das un-heimliche, das hörbare Aufbegehren der Kirchenoberen gegen die Zumutungen der geschlossenen Kirchen und verbotenen Gottesdienste sogar über die Osterfeiertage. Was sie kritisiert, ist das allzu willfährige Mittragen aller „staatlichen Hygienevorschriften, [die] einem würdigen Vollzug entgegenstehen“, wie Bischof Feige in Magdeburg verlauten ließ. Statt sich lautstark und so wiederholt wie die „Querdenker“ gegen die verordneten Maßnahmen auszusprechen, hielt Seine Exzellenz allerdings noch drei Wochen länger als staatlicherseits verordnet Messen nur in Ausnahmefällen (Totenmesse) ab.
Seine Strategie erinnert damit an die der Kliniken, die, um dem „Triagieren“ der in Überzahl erwarteten Covid-Patienten vorzubeugen, kurzerhand alle geplanten Operationen stornierten – sogar im Fall von Krebs- oder Herzkreislauferkrankungen. Das Triagieren, heißt das, wurde einfach in einen Bereich unterhalb des Radars der Pandemiediskussion und damit offenbar außerhalb des eingeengten Blicks der Öffentlich Rechtlichen Medien verlegt. Weshalb auch niemandem die daraus resultierende Todesstatistik präsent ist. Oder die der anderen „Kollateralschäden“ der Pandemiebekämpfung: „Ich habe“, sagt eine mir bekannte Weimarer Trauerbegleiterin, „ich habe die Menschen nicht wegen Covid beerdigt. Die sind an Einsamkeit gestorben.“
Ja – Herr Bischof. Auch darum bete ich: Um ein hörbares Eintreten unserer Kirchenoberen – wenn nicht generell für einen vernunft-, statt panikgesteuerten Umgang mit einer längst abgeklungenen Erkrankungswelle (hat nicht das scharfe Denken, das Beherrschen der Rhetorik und das Einschreiten gegen Aberglauben und magisches Denken die Kirche jahrhundertelang ausgezeichnet?), so doch um so energischer für die Belange der Kirche – die Meßfeiern mit Kantorendienst, Chor- und Gemeindegesang! Musik – das weiß man nicht erst seit Benedikts XVI. vehementem Eintreten für die Kirchenmusik – Musik ist nicht der Zuckerguß über dem Wort, sondern existentieller Bestandteil der Verkündigung.
Außerdem hält und macht Musizieren gesund! 🙂
Ich bitte also dringend: Verehrte Herren Pfarrer! Hören Sie auf, sich die Hände zu desinfizieren, wenn Sie nach der Wandlung mit dem Leib des Herrn in Berührung gekommen sind! Beteiligen Sie sich nicht an der Herausbildung multiresistenter Keime durch das Sterillium, mit dem man vor der Kirche beim Mund-Nase-bedeckten Einlaß traktiert wird. Die Schmierinfektion ist auch beim Coronavirus so gut wie ausgeschlossen (zumal alle ihr eigenes Gotteslob mitbringen). Und außerdem kommen unsere eigenen Bakterien auf der Haut ganz gut zurande – solange man sie nicht ständig mit abtötet. Nehmen Sie Ihren Türstehern die abschreckenden Masken weg! Sie haben – das zeigen die Verlaufskurven der Krankheitswelle – zu keinem Zeitpunkt eine Wirkung gehabt. Erwecken Sie nicht durch numerierte Klebeschildchen, daß Sie sich beim ‚Triagieren ums Himmelreich‘ innerlich schon auf Dauer eingestellt haben. Beschränken Sie sich beim Herunterbrechen generalvikarlicher Verordnungen nicht auf das lieblose Durchzählen von Quadratmetern und Personen, sondern ziehen Sie Zusatzinformationen zu den betreffenden Gruppen mit ins Kalkül. Zeigen Sie sicht- und spürbar mehr Phantasie in der Umsetzung der Gemeindebelange. Stehen Sie für das Seelenheil Ihrer Schäfchen mit derselben Vehemenz ein, die die Virologen für die Aufklärung über irgendwelche Krankheitserreger oder die Wirtschaftsvertreter für die Betriebe an den Tag legen!
Es ist eine beachtliche Gruppe von Ärzten, Anwälten, Unternehmern und Menschen, die in ihrer Eigenschaft als Elternteile sich um die Initiative der Querdenker geschart hat. Die mit ihren Videos im vorliegenden Beitrag bereits erwähnten YouTuber Dr. Bodo Schiffmann (HNO-Arzt) und Samuel Eckert (Unternehmer) bekennen sich ausdrücklich zum Christentum, zitieren aus der Bibel oder halten veritable Kurzpredigten über Verse aus den Paulusbriefen (hier ab Minute 6:00). Samuel Eckert ist, so gewinnt man den Eindruck, mit beiden Beinen fest im christlichen Glauben verankert. Es wäre verwunderlich, wenn er nicht auch ins kirchliche Leben hinein Kontakte pflegte. Aber wie gesagt: Es ist eine beachtliche Gruppe von Ärzten, Anwälten, Unternehmern und Eltern, die sich um die Initiative der Querdenker geschart hat. Ein Priester, ein Bischof gar, eine Pastoralreferentin, eine Seelsorgeamtsleiterin, eine Gemeinderatsvorsitzende oder irgendjemand, der oder die für die Institution Kirche stehen könnte, ist nicht darunter.
Wenn man sich im kommenden Jahr wieder turnusmäßig über die steigenden Zahlen an Kirchenaustritten grämt, sollte zur Sprache kommen, wie gewaltsam den Gläubigen 2020 regelrecht anerzogen wurde, daß es auch ohne Kirche geht/gehen muß. Gerade jetzt, gerade nach diesem Frühjahr und Sommer, wäre die Durchführung der Wallfahrt so wichtig. Und die friedliche und teilnehmerreiche Demonstration am Stern in Berlin – drei Tage zuvor aus politischen Gründen verboten, aber durch tüchtige Anwälte durchgesetzt – hat gezeigt, daß sie immer noch möglich wäre.
Cornelie Becker-Lamers
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