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PuLa reloaded: Conversi ad Dominum – oder: Wie ich lernte, die Pfarrkirche zu lieben

Mittwoch ist PuLa-Reloaded-Tag und nach dem überaus erfolgreichen frühen Sketch ‘Die Beichthotline, den Cornelie ursprünglich vom 1.6.2011 veröffentlicht hat, möchte ich heute an einen Text von mir erinnern, der am 14.10.2011 zuerst erschienen ist, und bereits etliche der Komplexe aufweist, mit denen wir uns dann in den kommenden Jahren beschäftigt haben – weil wir uns damit beschäftigen mußten

Wir sehen hier unser Eintreten für eine würdige Liturgie, gegen unsinnige modische Veränderungen unseres Kirchbaus, bescheiden inspiriert von den Werken Josef Ratzingers/Papst Benedikts. Immer bezogen auf die ganz konkreten Vorgänge vor Ort, weil wir fanden (und immer wieder geschrieben haben), daß es berufenere Münder gab, als unsere, sich zu den großen Fragen in einem allgemeinen Kontext zu äußern, freilich aber auch, daß eben diese Fragen sich überall spiegeln, auch in der mitteldeutschen Diaspora, auch in Weimar, und daß ein(e) jede(r) sich da einsetzen sollte, wo sie/er hingestellt ist.  

Wir sehen schon hier, wie wir später noch öfter sehen sollten, wie in manipulativer Weise versucht wurde, vermeintliche Expertise von außen zur Erreichung von “Weimarer” Zielen zu nutzen und wir ahnen schon von Ferne, wie sofort alle “Gemeindebeteiligung”, die irgendwie den Namen verdient hätte, sofort abbricht, sobald sie “droht” in kontroverse, also echte!, Diskussion zu münden…

Und wie oft haben wir die Frage wiederholt: Wo ist die “alte” Innenausstattung unserer Kirche eigentlich geblieben, die sie so viel mehr der Andacht zuträglich und, ja, ‘heimeliger’ gemacht hat, und wieder machen würde! Bis heute haben wir nur den immerhin dringenden Verdacht, es könnte noch viel mehr da sein, als gemeinhin zugegeben wird!

In der Gesamtschau kann ich nicht umhin, wehmütig zu schmunzeln, wenn ich dem Text den Optimismus abspüre, der mich damals noch erfüllte, es müsse doch möglich sein, über das eine oder andere zu reden und das auf der Basis allgemeinverbindlicher Kriterien und, wage ich es zu schreiben?, der Autorität eines der größten Theologen des 20. Jahrhunderts, der obendrein vor wenigen Jahren der erste deutsche Papst seit dem Mittelalter geworden war.
Bald, nur allzu bald sollte uns beginnen zu dämmern, auch und gerade mit den hier angesprochenen Themen und den dazu eingenommenen Standpunkten hatten wir bereits “verspielt” und wenn wir danach nie wieder eine Zeile geschrieben hätten.

Denn wir hatten die Kreise der “also: Weimarer” gestört, auch wenn es noch Jahre bedurfte, um diese Erkenntnis gültig formulieren zu können (wie es Cornelie hier getan hat), und ihr volles Ausmaß zu umschreiben. Die Zukunftslosigkeit dieses “Systems”, der “Dorflogik”, haben wir früh gespürt, heute ist sie mit Händen zu greifen und “Corona” wirkt nur als Beschleuniger. 

Inhaltlich aber ist mein Text, finde ich, wie man heute so sagt, “gut gealtert”, doch sehen Sie selbst:

 

Conversi ad Dominum – oder: Wie ich lernte, die Pfarrkirche zu lieben

[conversi ad dominum, lat.: „dem Herren gemeinsam zugewandt“]

Manchmal bedrückt es mich fast ein wenig, wenn ich feststelle, wie wenige Menschen das Glück zu schätzen wissen, das es bedeuten kann, von Kindesbeinen an, sozusagen „schon immer“, in der gleichen Umgebung zu leben. Wie vielleicht auch schon die Eltern und Großeltern vor ihnen.

Heutzutage wird das ja gerne runtergemacht und von interessierter (meist ökonomischer) Seite singt man das Hohe Lied der Mobilität und wie man sich doch überhaupt nur in der Ferne selber finden oder lieber gleich „verwirklichen“ könne und man kann es gar nicht oft genug sagen, was das in der üblichen Einseitigkeit für ein Blödsinn ist!

Ein besonders eindringliches Beispiel dafür ist natürlich das Kirchengebäude, das man von klein auf kennenlernt, mit dem man Erinnerungen an scheinbar unzählige Weihnachten verbindet, in dem man zum ersten Mal den Geruch von Weihrauch kennenlernt, in dem man zur ersten Hl. Kommunion geht und Meßdiener wird, wenn es gut läuft. Welches Kind käme auf die Idee, den Kirchenraum ästhetisch zu bewerten? Und wenn es der Jugendliche schließlich tut, dann löscht das die Bindungen an das Wichtige, was dort geschah und erlebt wurde nicht aus!

Wie anders, wenn man als Erwachsener umzugsbedingt gezwungen ist, sich mit einem unvertrauten Kirchenraum in ein Verhältnis zu setzen! Und so muß ich zugeben: Als wir Ende 2004 nach Weimar kamen, hatte ich mit der „Pfarrkirche Herz-Jesu“ so meine Schwierigkeiten!

Denn, seien wir doch mal ehrlich, das Gebäude ist ein Kind seiner Zeit: Es huldigt, obrigkeitlich verordnet, dem architektonischen Eklektizismus seiner Zeit, es ist „innen kleiner als außen“, soll heißen, Repräsentationselemente und „Nutz“-fläche stehen in keinem guten Verhältnis, kurz, es stammt eben aus Weimars „silbernem Zeitalter“ und das hatte immer einen Hauch von “ Mehr Schein als Sein“ (was übrigens meiner unmaßgeblichem Meinung nach auch für etliche Kompositionen des Förderers Franz Liszt gelten könnte, aber das nur am Rande).

Und in den „wunderbaren“ 60er Jahren, wohl 1964, wurde die steinerne Hülle zu allem Überfluß auch noch ihres bildnerischen Schmucks bis auf wenige Reste beraubt (übrigens: Wo sind die Sachen eigentlich geblieben??)

Viel wichtiger aber als all das: Die Kirche steht falsch herum! Der Chor mit dem Altar schaut nicht in Richtung Osten, sie ist, wie man sagt, nicht „geostet“, sondern schaut ziemlich genau nach Westen. Auch das ist natürlich ein Resultat der Tatsache, daß der katholische Kultus in Weimar Jahrhunderte lang verboten wurde (und nicht etwa, wie man unlängst lesen durfte, „zum Erliegen kam“…) und als er „gnädigerweise“ wieder zugelassen wurde, da wurden wir im Wortsinne an den (Stadt-)Rand gedrängt und mußten bauen, wie es eben ging.

Und die Frage der Gebetsrichtung ist eben auch im Christentum nicht gleichgültig, wenn auch natürlich nicht von der Bedeutung wie in anderen Religionen. So wurden christliche Gebetsräume ab den frühesten Zeiten geostet und damit verdeutlicht, daß das liturgische Geschehen und besonders sein Höhepunkt in der Eucharistie eine schlechthin kosmische Dimension hat. Wir wenden uns der aufgehenden Sonne zu als Symbol für den auferstandenen Christus, dessen Wiederkunft wir erwarten und werden durch dieses Zeichen zugleich an das konkrete Sich-Zeigen Gottes in der Welt erinnert.

Sagt uns das nicht auch schon die eigene praktische Erfahrung? Wenn in St. Bonifatius, in „unserem“ Karmel, während der Messe die Sonne aufgeht, bedarf es da noch besonderer Erläuterungen? Oder spürt man nicht einfach, diese Richtung stimmt und der (frühe) Morgen ist die richtige Zeit für die Messe? (Weshalb übrigens die Abschaffung der 8.30 Uhr Messe dort ein dauerhafter Verlust bleibt) Und was man von dem gelegentlich zu hörenden Spruch zu halten hat, der Herr habe ja eigentlich ein Abend-mahl gespendet und keine Frühmesse, das spürt man hoffentlich gleich mit…

Ja, und dann brach bei uns die furchtbare Zeit der „Altarinsel“ in der Pfarrkirche an, als die Drohung im Raum stand, es könne dauerhaft so kommen und manche ja auch fast alles dafür taten, wie z.B. in Erfurt wahrheitswidrig zu behaupten, es seien ja eigentlich alle dafür. Ganz egal, daß die Praktiker sagten, nun funktioniere der Raum von den Abläufen her überhaupt nicht mehr, egal, daß ganze Teile des Kirchenraums quasi dysfunktionalisiert wurden (was sollte denn der Chorbereich nun noch sein außer Weihnachtsbaumaufstellplatz?), egal scheinbar, daß über Wochen unser kleines Ständerkreuz jeden Sonntag woanders stand! Egal vor allem scheinbar auch, daß sich das ganze Geschehen wegbewegte vom großen Kruzifix, das im Altarraum verloren hängen geblieben war. Die Assoziation „Weg vom Kreuz“ war überhaupt nicht zu vermeiden und sie war in höchstem Maße schmerzhaft!

Und warum das alles? Wegen einer theologischen Mode aus den, ahnen Sie es schon? Genau: Aus den 60er Jahren! Denn damals kam das tendenziell nichts weniger als häretische Mißverständnis in Umlauf, das die Eucharistie auf das „Mahl-Geschehen“ verkürzen wollte. Nein, der HERR hat uns/der Kirche nicht aufgetragen ein (Abend-) Mahl zu seinem Gedächtnis zu feiern, er hat die Eucharistie gestiftet mit dem Opfer seiner selbst und damit etwas völlig Neues in die Welt gebracht und dieses Neue will auch „neu“ gefeiert werden. Wenn also in der berüchtigten Gemeindeversammlung zu diesem Thema am 14. März 2009 ein Bild von (irgend-) einer Mahlgesellschaft zur Begründung hochgehalten wurde, man müsse sich zum Gedächtnis jetzt rund um einen „Tisch“ (den Altar) versammeln so war das schon im Ansatz verfehlt. Hinzu kommt, daß neuere Forschungen längst ergeben hatten: In einem Kreis fanden antike Gastmähler gar nicht statt! Vielmehr war hier der Gastgeber bzw. Vorsitzende des Essens mit den Gästen an einer Seite des Tisches versammelt, schauten also grundsätzlich in die gleiche Richtung! Unsere Veralberung damals war also eine doppelte, theologisch und historisch.

So legt also das Wesen dessen, was wir Sonntag für Sonntag feiern dürfen wie das, was wir über das Geschehen im Abendmahlssaal ahnen können, nahe, genau das zu tun, was die Kirche durch Jahrhunderte getan hat: Uns gemeinsam, Priester und Volk, dem Herren zuzuwenden! Die Erhabenheit dessen, was da geschieht übersteigt („transzendiert“) ohnehin alles denkbare menschliche Handeln und Interagieren, weshalb der Priester in diesem Moment ja auch „in persona Christi“ handelt. Ob man ihm dabei ins Gesicht sehen kann ist bestenfalls nebensächlich, schlimmstenfalls störend. Und deshalb ist die immer noch anzutreffende Polemik gegen das „altmodische“ „Zelebrieren mit dem Rücken zum Volk“ ja auch ein so ein schwer nachvollziehbares Mißverständnis, erklärbar leider nur mit dem Verlust des Empfindens dafür, worum es eigentlich geht: Um den HERREN selbst. Seine sakramentale Anwesenheit ist alles, was in diesen Augenblicken zählt, nichts sonst und alles, was davon ablenken könnte ist folglich zu vermeiden.

Aber auch wer dem Gedankengang so weit gefolgt ist könnte jetzt einwenden: Wenn wir uns dem Herren gemeinsam zuwenden sollen, und die korrekte Richtung dafür ist nach Osten, sollen wir dann in „Herz-Jesu“ künftig während der Wandlung alle mit dem Gesicht zur Orgel stehen? Oder alles nochmal ganz anders einräumen? Haben wir nicht gerade gelesen wie schrecklich es sein kann, in der Kirche zuviel umzuräumen?

Keine Sorge! Es gibt eine Lösung für Kirchengebäude, die nun einmal nicht geostet sind und niemand geringerer als Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. hat sie aufgezeigt in seinem Buch: Der Geist der Liturgie, Freiburg, 2. Aufl. 2006, hier bes. S. 64 – 72, auf dem im übrigen alle theologischen Einlassungen dieses Eintrags beruhen, und das ich nur wärmstens, allerwärmstens!, zur Lektüre empfehlen kann (KÖB!).

Wir haben es gerade während seines Besuchs selber in jeder Messe sehen können; die Lösung ist: Ein Kreuz auf dem Altar! Hören wir ihn in seinen eigenen Worten:

„Die Richtung nach Osten wurde […] mit dem »Zeichen des Menschensohns« in Verbindung gebracht, mit dem Kreuz, das die Wiederkunft des Herrn ankündigt. So wurde der Osten sehr früh mit dem Kreuzeszeichen verbunden. Wo die direkte gemeinsame Zuwendung zum Osten nicht möglich ist, kann das Kreuz als der innere Osten des Glaubens dienen. Es sollte in der Mitte des Altares stehen und der gemeinsame Blickpunkt für den Priester und für die betende Gemeinde sein. So folgen wir dem alten Gebetsruf, der an der Schwelle der Eucharistie stand: »Conversi ad Dominum« – Wendet euch zum Herrn hin.“ (Hervorhebung von mir)

Und? Rechne ich damit, daß wir in Weimar dem Beispiel des Hl. Vaters folgend bald ein solches Kreuz auf dem Altar sehen werden? Leider nein, obwohl die Fernsehbilder der Papstmessen ja unzweifelhaft deutlich werden ließen, daß trotzdem die „Akteure vor der Kamera“ (vgl. Vermeldungen vom 19. Sonntag im Jahreskreis, S. 2, interessantes Selbstbild, das da zum Vorschein kommt, oder?) in den ach so wichtigen ZDF-Gottesdiensten noch zu sehen sein würden (auch wenn das während der Eucharistie i.e.S. eben völlig unerheblich ist!).

Nein, jetzt komme ich mit dem zweiten Teil der Überschrift dieses Eintrags zur Pointe dieser skizzenhaften Einlassungen.

Es ist schon soweit! Seit der Altar wieder da steht, wo er hingehört, hängt das Kreuz ja  genau in der Mitte darüber!

Wir haben es also schon, das objektive liturgisch-architektonische Element ratzingerscher Prägung, den gemeinsamen Blickpunkt, unseren Weimarer „inneren Osten“.

Und alle, die es sehen wollen, dürfen sich jetzt im Hochgebet, genauer bei den Intercessiones, die ja aussprechen, daß die Eucharistie in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche begangen wird, noch intensiver mit genau diesem Hl. Vater verbunden fühlen. Den Kopf um ein weniges heben genügt.

Tja, so kam es, daß ich „lernte die Pfarrkirche zu lieben“ und mittlerweile kann ich es sogar genießen, wenn in einer Abendmesse die Sonne durch die Fenster scheint… 😉

(Ende Originaltext)

 

Ein rein faktisches Detail allerdings wissen wir heute besser: Es waren nicht Stadt und Großherzog, die damals die Ostung verhindert haben, sondern offenbar schon zeitgenössisch  ein innerkatholisches Versagen, von dem man auch den damals zuständigen hochwürdigsten Herrn Bischof von Fulda nicht freisprechen kann. Das kam bei einer verdienstvollen Ausstellung zur 125-Jahr-Feier der Kirchweihe im Jahr 2016 heraus (auch wenn diese leider aufgrund mangelnder konzeptioneller Durchdringung viel Potential verschenkte).

Gereon Lamers

Ein Kommentar

  1. Cornelie schrieb:

    Der Hohe Dom zu Fulda (Anfang 18. Jh.) ist halt auch nicht geostet, hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Fuldaer_Dom#Ausrichtung

    Freitag, 16. April 2021 um 11:12 | Permalink

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  1. […] einleitenden Worte zu der heutigen Folge in der Reihe ‘PuLa-reloaded’, in der wir wichtige Beiträge der ersten zehn Jahre dieses Blogs erneut veröffentlichen, waren […]

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