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PuLa-reloaded: Die letzten Dinge im „Himmelchen“

Den Anlaß für das PuLa-reloaded dieser Woche bot, in ebenso  unerfreulicher wie typischer Weise ein Artikel im ‚Tag des Herrn‘ (Nr. 20, 23. Mai 2021) unserer lokalen Ausprägung der Bistumspresse.
Prominent auf Seite 3 winkt uns dort die kürzlich verstorbene 93-jährige Gertrud W. aus Münster zu, auf einem Photo, entstanden vermutlich in dem Altenpflegeheim, in dem sie ihre letzten Tage verbrachte.

Überschrift: “Ihre letzte Hoffnung”.

‚Tag des Herrn‘ vom 23. Mai 2021, S. 3 (eigenes Bild)

Was mochte die “letzte Hoffnung” einer so betagten Dame gewesen sein, die, wie aus dem Fünfspalter hervorgeht, zwei Söhne geboren hat, zu denen, so will es scheinen, guter Kontakt bestand.
Der “Traum von der Reise zum Haus an der Nordsee”, der in der Zwischenüberschrift vorkommt, konnte es doch wohl nicht gewesen sein, so dachte ich. 

Jedoch, die Lektüre des gesamten Berichts belehrte mich, nein, eben nicht eines Besseren, sondern zeigte erneut das ganze Elend dessen auf, was heute so in der “Kirchenzeitung” steht.

Kein Wort, wirklich kein Wort stand da zu lesen, das über diese Welt und ihre engen Grenzen hinauswiese!
Seemannslieder, natürlich ‘Corona’ (einschließlich vollständiger Impfung) Reisen, Konzerte, Bastelrunden und schließlich auch die “Pizza Salami”, das alles kommt vor.

“Letzte Hoffnung”, dachte ich, und frage mich: fehlt da nicht etwas? Erschöpfte sich darin, worauf eine 93-jährige, deren Leben in dieser Welt sich nun einmal objektiv seinem Ende zuneigte, hinlebte?

Nun, wir wissen nicht, wie es diesbezüglich wirklich um Gertrud W. stand, und wir wollen hoffen, besser, als es uns dieser Artikel darlegt.

Aber was wir wissen, ist, eine Kirchenzeitung, die es offenbar als normal empfindet, von den “Letzten Dingen” nicht einmal dann zu sprechen, wenn sich die Sorge um sie doch geradezu aufdrängt, die es fertigbringt, ausschließlich irdischen Tand (relativ) als “Letzte Hoffnung” auszugeben, die hat den Boden praktizierten Christentums schlicht verlassen!

Es soll einmal eine Zeit gegeben haben, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, von der wird berichtet, die Lehre von den letzten Dingen, die Eschatologie, sei in der Kirche geradezu “in Mode gewesen”. Lang, lang ist’s her, kann man da nur sagen…

Doch worüber wundern wir uns? Haben wir denn angesichts der Tatsache, daß uns mit ‘Corona’ vermeintlich oder tatsächlich das Sterben besonders nah gerückt ist, von unseren Bischöfen besonders viel von der nächsten Welt gehört, bzw. der Notwendigkeit, sich auf sie vorzubereiten? Wir alle kennen die Antwort, denke ich.

Es ist hart, das so deutlich auszusprechen, aber der organisierte Katholizismus in Deutschland, einschließlich der doch genau dazu berufenen Oberhirten, hat in dieser ‘Pandemie’  geistlich einfach fast vollständig versagt.

Dabei ist die Beschäftigung mit der Eschatologie so schön und bereichernd, intellektuell aber auch ganz persönlich, wie ich im Juni 2013 erleben durfte, als die Herausgeber der Josef-Ratzinger Gesamtausgabe (JRGS) rund um den Regensburger Bischof R. Voderholzer anläßlich des Erscheinens des einschlägigen Bandes am Erfurter Dom ein Symposium zu der Lehre des damaligen Papstes und Theologen zu diesem Thema organisierten, an dem ich als Zuhörer teilnehmen konnte. Ich staune bis heute über meinen damaligen Mut, aber ich wurde reich belohnt und habe dann einen kleinen Beitrag (hier das Original) geschrieben, den einer der beteiligten Wissenschaftler sogar ausdrücklich gelobt hat. 

Viel Vergnügen!

Gereon Lamers 

Die letzten Dinge im „Himmelchen“, Symposium zu Joseph Ratzingers Eschatologie in Erfurt

„Wenn dem Menschen das Evangelium der Rettung verkündigt wird,
dann wird die Rettung auch dem Fleische verkündigt.“

(Justin der Märtyrer)

Coelicum (Bild: Wikipedia, Uni Erfurt)

Im Coelicum („Himmelchen“), dem spätmittelalterlichen Hörsaal der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Erfurt, fand am Samstag, dem 1. Juni 2013, das vom Institut Papst Benedikt XVI. gemeinsam mit der Katholisch-Theologischen Fakultät veranstaltete Symposium zu „Eschatologie und Theologie der Hoffnung“ statt, das anläßlich des Erscheinens von Band 10 der „Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften“ (JRGS) veranstaltet wurde (das Institut ist, wem das gerade nicht mehr gegenwärtig ist, mit der Herausgabe der Schriften des Theologen Joseph Ratzinger von diesem als Papst Benedikt XVI. [indirekt] selbst beauftragt worden).

Vor allem weiteren möchte ich mich bei den beiden Veranstaltern für die Möglichkeit der Teilnahme und die erwiesene Gastfreundschaft herzlich bedanken! Was kann man sich besseres antun an so einem kalten und stürmischen (wenn auch erstaunlicherweise kaum regnerischen) Tag, als einige Stunden seinen Kopf anzustrengen aus so erfreulichem Anlaß und zu diesem qua definitionem so entscheidendem Thema?

Mariendom zu Erfurt, Hoher Chor (Bild: Wikipedia, Matthias Kabel)

Der Tag begann mit einer Hl. Messe im Hohen Chor des Erfurter Doms, die zelebriert wurde von dem Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer,  dem Direktor des Instituts Papst Benedikt XVI. und unserem Altbischof Dr. Joachim Wanke. Dieser geistliche Beginn des Tages wurde nur um so schöner durch die ebenso wohltuende wie lehrreiche Predigt von Bischof Voderholzer, in der er den „guten Patron“ des gemeinsamen Bemühens würdigte, den Tages-Heiligen: Justinus der Märtyrer,  der im 2. Jahrhundert das „Gespräch der Vernunft“ zwischen dem jungen Christentum und seiner Umwelt nicht mit den heidnischen Kulten, sondern mit der Philosophie seiner Zeit gesucht habe. Ein früher Aufweis der Logos-Gemäßheit der „neuen Religion“, für die Justin schließlich im Jahr 165 in Rom unter dem „Philosophenkaiser“ Marc Aurel (…) das Martyrium erlitten hat.

Außerdem sind es ja immer die „kleinen Dinge“ in einer Messe, über die sich der aufmerksame, sozusagen „tätig teilnehmende“ 😉 , einfache Gläubige freut: So z.B. wenn zu Beginn von den „Göttlichen Mysterien“ die Rede ist und wenn es vor dem Vaterunser einmal wieder heißt: „wagen wir zu sprechen“; Danke, Herr Bischof!

Anschließend erläuterte zu Beginn der Tagung der Dekan der Fakultät, Prof. Michael Gabel,  u.a. warum gerade das Coelicum ein so geeigneter Ort für die Vorstellung eines Buchs mit Texten von Joseph Ratzinger war: Es schaut an einer Seite auf den Kreuzgang des Doms, in dem im September 2011 Papst Benedikt am Grab des ihm freundschaftlich verbundenen Bischofs Hugo Aufderbeck gebetet hat.

Kreuzgang des Erfurter Doms (eigenes Bild)

Seine gewisse Entrücktheit, hoch auf dem Domberg über Erfordia turrita, der türmereichen Stadt, wird ebenfalls nicht geschadet haben und der Versuch, mit den Mitteln der modernen Technik den Frevel des 19. Jahrhunderts zu tilgen, das die namensgebende, mit Sternen und Planeten bemalte Decke zerstörte, fand gebührende Anerkennung.

Die neuen Lichter im Coelicum (eigenes Bild)

Doch ist es, glaube ich, angemessen, noch in einem viel grundsätzlicheren und vor allem inhaltlicherem  Sinne von einem guten Tagungsort zu sprechen, der sich vor allem in der Auswahl der Referenten spiegelte.

Denn indem hier Wissenschaftler aus dem Osten und aus dem Westen Deutschlands zu Wort kamen (und solche, die beide Teile in ihrer Laufbahnen verbinden) traten zugleich verschiedene Aspekte im Zugriff auf und Erfahrungen mit einer Theologie der Hoffnung im allgemeinen und den Werken Joseph Ratzingers im besonderen zutage.

Mariendom zu Erfurt, Südansicht mit Blick auf den Hohen Chor und das Coelicum (Bild: Wikipedia)

Den Anfang machte Dr. Gerhard Nachtwei,  z.Zt. Propst in Dessau,  mit seinem Vortrag zu: „Ratzingers Eschatologie auf der Suche nach einer Antwort auf die Fragen des heutigen Menschen. Erfahrungen mit der Theologie Ratzingers im Osten Deutschlands“. Dr. Nachtwei hat mit der 1986 in Leipzig erschienen ersten Dissertation („Dialogische Unsterblichkeit“) im deutschen Sprachraum zu der 1977 zuerst als Gesamtdarstellung erschienenen „Eschatologie“ J. Ratzingers eine „Referenzstudie“ (Prof. Marschler) vorgelegt, der der Autor Ratzinger in seinem Nachwort zur 6. Auflage von 1990 hohes Lob („große Arbeit“) gespendet hat.

Dr. Nachtwei zog zu Beginn kurz (vielleicht ein wenig sehr kurz angesichts des komplexen Themas) die entscheidenden Linien seiner Untersuchung noch einmal nach und gab anschließend beeindruckende Beispiele für die „pastorale Notwendigkeit fundierter eschatologischer Antworten“  und unterstrich, wie wichtig es in der Auseinandersetzung mit dem materialistischen System der DDR gewesen sei, Begriffe wie „Geist“ und „Seele“ zur Verfügung zu haben.

An dieser Stelle ist es vielleicht angebracht in einem kurzen Einschub darauf hinzuweisen, daß dies keineswegs so selbstverständlich ist, wie es auf den ersten Blick für denjenigen scheinen muß, der die Entwicklung des eschatologischen Denkens in der (westdeutschen) Theologie der letzten Jahrzehnte nicht mit- bzw. nachverfolgt hat. Diese hatte nämlich den Seelenbegriff (und damit natürlich auch den der ‚Unsterblichkeit der Seele‘) in weiten Teilen aufgegeben! Ich erinnere mich noch gut an mein eigenes ungläubiges (und entsetztes) Staunen, als ich dies bei Joseph Ratzinger erstmals las… Eines seiner wesentlichen Anliegen mit „seiner“ Eschatologie war es demnach ja auch, die allzuschnell in Verkündigung und Gemeindepraxis eingegangenen, unausgegorenen Vorstellungen („Auferstehung im Tode“) als „ein Denken zu verabschieden, das die Verkündigung sprachlos macht und sich damit als Weise des Verstehens selbst aufhebt.“ (J. Ratzinger, Eschatologie, Tod und ewiges Leben, Regensburg, 6. Auflage 1990, S. 97; sorry, Band 10 der JRGS stand mir  noch nicht zur Verfügung 😉 )

Ein Anliegen, das in den Ausführungen von Dr. Nachtwei (wie seinen späteren Diskussionsbeiträgen) eindrucksvolle Bestätigung fand.

Prof. Dr. Josef Freitag,  ursprünglich Freiburg, heute Erfurt hingegen hielt in seinem Vortrag: „Individuelle und universale Eschatologie“ die durch Joseph Ratzingers Buch ausgelöste Kontroverse (insbes. mit Gisbert Greshake), wohl mit der Mehrheit der heutigen Forschung, für  weitgehend erledigt (auf der grundsätzlichen, theoretischen Ebene) und betonte den unaufgebbar wichtigen Aspekt universaler Eschatologie in klarer biblischer Herleitung und auf Basis eines historischen Rückblicks, der die Individualisierung zunächst der Bußpraxis und später der Jenseitshoffnung in der westlichen Kirche kritisch in den Blick nahm.

Freitag erhob weiterhin Widerspruch gegen die Ratzingersche Einordnung der „Theologie der Befreiung“ als ein (vorwiegend bis ausschließlich) „politisches“ (ja weitgehend marxistisches) Phänomen und hielt dem entgegen, sie habe vielmehr ihren universaleschatologisch einzuordnenden Ausgangspunkt bei der Frage, „Was tut Gott in der Welt?“ gehabt, wobei er allerdings zugestand, der Bezug auf „Communio-Strukturen“ sei bei Joseph Ratzinger ebenfalls sehr stark, dieser sei allerdings in seiner „Eschatologie“ eben nicht „systemprägend“ geworden.

Ergab sich damit bereits in gewisser Hinsicht eine Art von Antwort auf den ersten Beitrag des Tages, sollten unterschiedliche Bewertungen im Blick auf die Theologie der Befreiung  am Ende des Tages noch viel deutlicher hervortreten.

Doch zuvor sprach nach der Mittagspause Prof. DDr. Thomas Marschler, Universität Augsburg, zu: „Seele: Joseph Ratzingers Stellungnahmen zu einem eschatologischen Zentralbegriff und ihre Relevanz für die aktuelle Diskussion“.

Er stellte zunächst fest, von verschiedenen Seiten, sowohl von ausgeprägt konservativen katholischen wie von evangelischen Positionen, zuletzt aber auch aus philosophischer Sicht habe es an Joseph Ratzingers Thesen Kritik („Inkonsistenz­vermutungen“)  gegeben, die sich, ggf. mit je verschiedenem „Vorzeichen“, an der Frage Relationalität versus Substantialität der Unsterblichkeitskonzeption festgemacht hätten, um daraufhin vier Kernaussagen der Ratzingerschen Eschatologie in ihrer reifen Phase (d.i. post-1977) herauszuarbeiten.

Ich greife hier (schließlich sollen die Beiträge ja auch noch in Buchform erscheinen… 😉 ) die zweite These heraus:

„(2) Die genuin theologische Unsterblichkeitshoffnung darf sich der philosophisch-ontologischen Dimension ihrer Aussagen nicht verschließen.

Die „Seele“ als Inbegriff der dynamischen Relation zu Gott ist in diesem Sinn für den Menschen als unverlierbar und “substantiell“ anzusehen.

In eschatologischer Hinsicht ist die “Seele“ dasjenige anthropologische Konstitutions­prinzip, das die Fortexistenz des Menschen über den Tod hinaus ermöglicht.“

Mit ihr erscheint mir exemplarisch deutlich zu werden, wie Prof. Marschler hier Joseph Ratzingers Anliegen verdichtend aufgriff und schöpfungstheologisch explizierte wie diese quasi-substantielle, ontologische Dimension der „Relationalitäts-Unsterblichkeit“ die Schärfe der Gegenüberstellung „Unsterblichkeit versus Auferweckung“ aufzuheben angetan ist.

Das von ihm festgestellte, philosophisch gesehen „überflüssig“ erscheinende, „ambivalente Verhältnis“ Joseph Ratzingers zum Dualismusbegriff ist in der Tat etwas, was sich dem aufmerksamen Leser, wenn auch natürlich nicht in dieser begrifflichen Schärfe, aufdrängt. Ich würde zu der Frage nach dem Grund für diese Ambivalenz gerne an die Stelle aus dem 2. Kapitel, § 5, Nr. 5 der  „Eschatologie“ (6. Aufl. S. 130) erinnern, in der der Autor offenbar sehr bewußt mit den Begriffen der (unverzichtbaren) „Dualität“ einerseits und des „Dualismus“ andererseits operiert. Legt nicht das offenkundige Ziel, nichts an der „Einheit des ‚ganzen Menschen‘“ wegzunehmen, nahe, die begriffliche Unschärfe könne aus sozusagen vorrangigen verkündigungspraktischen Gründen bewußt in Kauf genommen worden sein?

Wie dem auch sei, die lebhafte und hochklassige Diskussion zwischen den Referenten und einigen der ca. 50 Teilnehmer setze sich noch in der nachmittäglichen Pause fort, bevor zum Abschluß Prof. Dr. Siegfried Wiedenhofer,  zuletzt Goethe Universität Frankfurt, Main, zu „Politische(r) Utopie und christliche(r) Vollendungshoffnung“ vortrug.

Professor Wiedenhofer stellte zunächst die im Prinzip ja wohlbekannte Position Joseph Ratzingers in seiner Ablehnung der politischen, bzw. Befreiungstheologie (Stichworte: „Selbsterlösungshoffnung“, Machbarkeitskult“, „Aufgabe des ontologischen Wahrheitsbegriffs“) dar, die ihn zu einer „theologischen Hermeneutik des Verdachts“ gegen diese Entwicklungen geführt habe. Diese sei zwar im Sinne des „Ent-deckens des Vorhandenen“, der notwendigen „Aufdeckung gefährlicher Tendenzen“ tatsächlich erforderlich gewesen, habe jedoch auch zu einer im einzelnen wenig faktenorientierten Form der Auseinandersetzung geführt, die schlimmstenfalls ins bloße Vorurteil abzugleiten drohe. Vor allem aber stelle sich mit der völligen Trennung von Religion und Politik und der Zuweisung der letzteren auf das Gebiet der Moral das Problem der „Beschränkung der sakramentalen Gesamtexistenz des einzelnen Gläubigen“. Von daher sei, so Wiedenhofer, eine „Ehrenrettung“ der politischen Theologie und der Theologie der Befreiung „möglich und erforderlich“; er verwies in diesem Zusammenhang auf das wesentlich entspanntere Verhältnis, das der (amtierende) Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof G.L. Müller zu diesem Themenfeld und den auf ihm handelnden Personen unterhalte.

Wenn nun auch jeder Versuch einer abschließenden Bewertung seitens des theologischen Laien schlechterdings vermessen wäre, drängen sich dem aufmerksamen einfachen Gläubigen doch einige Beobachtungen auf:

1) Es ist ja nachgerade ein Topos der Blogoezese, die selbstreferentielle und auswirkungslose (deutsche) Universitäts-Theologie zu schelten und zwar, Topos hin oder her, wie ich glaube, nur allzuoft völlig zu recht. Nichts davon aber war im Rahmen dieser Tagung zu spüren!  Vielmehr blieb bei aller Unterschiedlichkeit der Ansätze nicht nur der respektvolle Umgang mit dem Oeuvre des großen Theologen, das ja alle erst dort versammelt hatte, jederzeit gewahrt, sondern vor allem blieb, bei aller begrifflichen Abstraktion, für mich jedenfalls, der Blick auf den einzelnen Menschen, den einzelnen Gläubigen und „was er davon hat“, sein (Seelen-) Heil!, zu jedem Zeitpunkt glaubhaft gewahrt. Das war ein sehr schönes Erlebnis, für das ich allen Referenten danken möchte.

2) Bei aller inneren Nachvollziehbarkeit der Argumente fand ich es doch bemerkenswert, wie der stärkere Bezug auf „das Politische“ mit dem Lebensalter und der „West-lichkeit“ der Referenten korrelierte. Wie auch die Diskussion, die sich an den letzten Vortrag anschloß zeigte, gibt es gerade auch im Bereich der Theologie nach wie vor jede Menge guter Gründe, Erfahrungen und Perspektiven auszutauschen, zwischen „West“ und „Ost“. Auch deswegen ist es eine so gute Idee, Bischöfe zwischen den ehemaligen Teilen Deutschlands „hin- und herzuschicken“, wie das ja zuletzt nach allem, was man hören kann, mit der Ernennung von Bischof Dr. Heiner Koch für Dresden-Meißen wieder so hervorragend geklappt hat! Hoffentlich trägt sich dieses Muster weiter durch.

3) Wenn Prof. Wiedenhofer die „nachkonziliare Streitphase“ und ihre Polemiken für mittlerweile historisch erklärt und die Ratzingersche „Hermeneutik des Verdachts“ nach „außen“ (gegenüber der politischen Theologie) in Analogie zu seinen Argumentationsmustern nach „innen“, hinsichtlich kirchlicher Struktur- (bzw. „Reform“-) Fragen sieht, möchte ich, insoweit die Analogie auch Parallelität bedeuten soll, hinsichtlich der Konsequenzen widersprechen.

Mir scheint doch mit Händen zu greifen, daß die Überwindung so mancher Verirrungen der nachkonziliaren Phase alles andere als abgeschlossen ist, gerade „vor Ort“ in den Gemeinden; deswegen ist es m. E. für eine solche Historisierung der Ratzingerschen Theologie, inklusive ihrer Polemiken!,  definitiv zu früh. Es ist nämlich, wenn Sie mir das Wortspiel gestatten, ein „himmelchen-weiter“ Unterschied, ob man sich im Rahmen eines solchen Austauschs über Entstehung, Rahmenbedingungen und Absichten theologischer Forschung differenziert austauschen kann, oder ob „abgesunkene“ Vorstellungen den schrecklichen Vereinfachern in den Gemeinden („engagierte Laiinnen und Laien“… 🙁 ) in die Hände fallen.

Und ich frage mich weiterhin, ob gleiches nicht auch für den Blick „nach außen“ unverändert gilt. Hat nicht der weltanschauliche Feind, der als („orthodoxer“) Marxismus erledigt scheint, eher einen bloßen Gestaltwandel vollzogen, was ihn aber nicht ungefährlicher zu machen braucht?
[…]

Ganz zum Schluß möchte ich mit einer Ermutigung enden: Wer u.U. die obige notwendige Verknappung von immerhin einigen Stunden dichter Vorträge und Diskussionen etwas, na, sagen wir „abstrakt“ fand, der sollte sich davon keinesfalls abhalten lassen, sich mit dem Thema zu beschäftigen! Wie ich im Gespräch mit Dr. Chr. Schaller, dem stellvertretenden Institutsdirektor, zu meiner freudigen(!) Verblüffung feststellen durfte, haben wohl etliche Menschen wie ich von Joseph Ratzinger als erstes seine „Eschatologie“ gelesen. Das ist nicht ganz einfach und man wird das Buch im Zweifel mehr als einmal lesen müssen. Aber das wird man auch wollen! Es ist mit der gesunden Lehre wie mit einem Stück Vollkornbrot: man muß sie ordentlich kauen, aber dann nährt sie eben auch besser als manches Stück aufgeplusterten Weichgebäcks! 🙂

Wie man dabei (erneut) Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. als eminent „praktischen“ Theologen und wahren Hirten erlebt, setzt dem geistlichen Gewinn ein freudiges Krönchen auf.

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