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PuLa-reloaded: Dove Sveta (Folge 2)

Ein Sketch für drei Personen, fünf Schafe, zwei Lämmchen und eine Menge Heiliger

Wundersdorf, Oderbruch. Im Umfeld der allseits bekannten Schafweide. Wir erinnern uns: Familie Langenfeld hatte einige Schafe mit Phablets bewaffnet die Feldwege entlangstromern sehen und zweierlei erfahren. Erstens: Auf der Schafweide war ein PokéStop, der aufgrund der beherzten Intervention des Hirten vom Spielebetreiber annulliert wurde und zweitens: Kohle hat eine App erfunden, die sich „Dove Sveta“ nennt und irgendwie mit diesem Pokémonzeugs da zusammenhängen muß. Gerade ist Kohle dabei, die Langenfelds auf den nötigen Wissensstand zu bringen.

Kohle (stolz): Meine Erfindung! Hört zu: Was geschieht bei „Pokémon Go!“ ?

Edith (guckt Richard an): Keine Ahnung!

Richard: Äh – ich glaube, der Spieler – tja – wie war das nochmal?

Teresa: Man sieht auf dem Smartphone die Landkarte von wo man ist und hat auch einen Avatar und wenn man ein Pokémon findet, muß man es mit einem Ring fangen und bekommt dann dafür Punkte. Da gibt’s verschiedene Kategorien und manche Pokémons gibt es auch nur in Asien zum Beispiel und manche fliegen dann da extra hin.

Edith: Wahnsinns Geschäftsidee …

Richard: Merchandising inklusive … Das bringt Millionen im Monat!

Edith: Aber – wie hat man sich das vorzustellen, ein Pokémon finden oder fangen?

Flocke: Na, die Vorstellung ist, die Pokémons sind in echt da …

Wolle (unterbricht sie): … zum Beispiel an unserer Tanne …

Flocke: … genau, aber sie sind unsichtbar.

Fixi: Man sieht sie nur auf dem Bildschirm.

Edith: Ah!

Richard: Und jetzt? Euer Spiel?

Kohle: Na – die Spielidee von „Pokémon GO!“ ist doch ganz offenbar geklaut!

Richard: Ah ja?

Teresa (platzt heraus): … bei der Vorstellung von Heiligen!

Kohle: Ganz recht! Wer ist denn seit Jahrhunderten unsichtbar da?

(Die Gruppe hat sich mittlerweile wieder auf den Weg gemacht und schlendert langsam weiter den Feldrain entlang Richtung Stadt.)

Teresa (beginnt zu singen): „Kein Ohr hat ihren Spruch vernommen,/ unsichtbar jedes Menschen Blick,/ sind sie gegangen, wie gekommen,/ doch Gottes Segen blieb zurück!“

Edith (freudig): Die Engel und Heiligen!

Kohle: Eben.

Flocke: Und mehr noch: Wo werden denn Altäre und Kirchen gebaut?

Richard: Über Heiligengräbern?!

Wolle (nickt): Über Heiligengräbern.

Blütenweiß: Und wenn kein Heiliger da ist, dann bringt man Reliquien hin.

Grauchen: In barocken Kirchen ist die Decke blau bemalt, weil da der Himmel offen ist.

Kohle (resümiert): Die Verbindung von Orten und wirksamen, aber unsichtbaren Personen ist mithin Jahrtausende alt. (Er blickt in die Runde, um die Wirkung seiner bedeutsamen Worte auszukosten.)

Edith: Ja, aber dann ist euer Spiel ja nicht besonders spannend – ich meine, man geht zu einer Kirche und fertig.

Kohle (schaut Edith indigniert an): Na, sooo einfach haben wir es uns nun auch nicht gemacht. Klar – wenn man gefrustet ist, weil man ewig keinen Heiligen gefangen hat, kann man zu einer Kirche gehen und dort einen finden. Aber die geben dann entsprechend auch nur sehr wenig Punkte.

Richard: Ah! Und wo sind die Heiligen dann so?

Huf: Na, an unserer Tanne ist jetzt natürlich ein Johann Baptist.

Fixi: Johannes der Täufer, Schutzheiliger der Schafe und Lämmchen.

Wolle: Und die Heilige Elisabeth oder jetzt Mutter Teresa sind bei einem Krankenhaus.

Flocke: Vorn beim Imker ist ein Bernhard von Clairvaux.

Grauchen: Und beim Bauern wacht Antonius der Große …

Blütenweiß (grinst): … der „Swinetünnes“.

Richard: Das ist ja alles völlig unglaublich! Aber sagt mal: Was heißt hier ein Johann Baptist, ein Bernhard von Clairvaux?

Fixi: Na – die Heiligen sind doch überall und an vielen Orten gleichzeitig!

Huf: Wer sollte denn sonst Maria bekommen?

Flocke: Oder den heiligen Nikolaus? Bei all den Nicolaikirchen?

Kohle: Gutes Stichwort! Wir kommen doch gleich zur Kapelle.

(Sie laufen ein Stück weiter, queren den Stobber und gelangen zu einer kleinen Kapelle am Waldrand.)

Fixi (blickt auf ihr Phablet): Da wären wir.

Huf: Da sind wir.

Fixi (blickt Huf streitlustig an) Das mit dem Konjunktiv hatten wir doch schon mal.

Blütenweiß: Jajajajaja! Das ist jetzt aber überhaupt nicht das Thema. Wir wollen den Heiligen Nikolaus sehen.

Edith: Sancti Nicolai – stimmt ja!

Flocke: Wir haben hier eine Nikolauskapelle – sehr erwartbar, denn der Stobber war ja vor Zeiten schiffbar.

Richard: Fischbar?

Wolle (lacht): Das auch, ja. Aber für Nikolaus ist wichtig, daß die Stobrava schiffbar war. Und deshalb gibt es selbstverständlich eine Nicolai-Kirche. Die Kaufleute haben mit so schöner Regelmäßigkeit Nicolaikirchen erbaut, daß man sogar Handelswege anhand der Kirchen rekonstruieren kann.

Teresa: So! Und wie fängt man ihn jetzt?

Fixi (hält Teresa ihr Display hin): Schau! Da sitzt er – vor der Kirche. Siehst du ihn?

Teresa (begeistert): Da! Mit den drei goldenen Kugeln! Klar! Ganz klar Nikolaus.

Kohle: Also Nikolaus ist ja ein sehr häufiger Heiliger. Den fängt man einfach mit einem „Ehre sei dem Vater …“ Paß auf.

(Kohle rückt mit der Schnauze dicht an sein Display heran und beginnt mit vernehmlicher Stimme zu sprechen.)

Kohle: „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Wie es war im Anfang so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.“

(Alle starren gespannt auf die beiden Displays. Ein Freudengeschrei bricht los, als nach Ende der Eingabe ein kleiner Rosenkranz losschwebt und sich dem Heiligen um die Handgelenke wickelt. In einer kleinen Leuchtschrift am linken unteren Bildschirmrand erscheint die Punktezahl „150“ und die Information „Level 1“.)

Kohle (stolz): Da! Ich hab ihn!

(Der Heilige lächelt und ein warmer Windhauch entströmt seiner Gestalt. Allen wird ganz wohlig zumute.)

Richard (lächelt entrückt): Das ist ja phantastisch! Das ist ja besser als alle Punkte, die man je sammeln kann!

Kohle (grinst): Tja! Praktiziert euren katholischen Glauben, sage ich immer. Das ist interaktiv!

Fortsetzung folgt (morgen)

Cornelie Becker-Lamers

 

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