Diesen Text, den “Vorabend” des diesjährigen Adventskalenders, zu schreiben, hat mir, wie man so sagt, ‘Bammel eingejagt’.
Und das diesmal nicht, weil ich erneut nicht so genau weiß, wo das Unternehmen hinführen soll (das kennen Sie ja schon), sondern aufgrund der Persönlichkeit, der die wir die Zitate verdanken, die wir in der kommenden Zeit anschauen wollen.
Ida Friederike Görres (1901 – 1971, geb. Friederike Maria Anna Reichsgräfin Coudenhove-Kalergi) flößt mir als katholische Intellektuelle und Publizistin, wie es heute keine mehr gibt!, Respekt ein, aber das taten die Texte der Heiligen, ganz zu schweigen von denen der Hl. Schrift, natürlich auch, die wir in den vergangenen Jahren schon gemeinsam betrachtet haben.
Jedoch, zusammen mit ihrer Biographie etwas zu dem dichterischen Charisma schreiben zu sollen, das doch alle ihre Texte prägt – das wäre noch etwas ganz anderes gewesen! Wie lebhaft erinnere ich mich an den “Sog” und den dauerhaft bleibenden! Eindruck der verlebendigenden Verzauberung, wie sie ihre Schilderung der Gestalt der Hl. Radegundis in mir hinterlassen hat! (Die siebenfache Flucht der Radegundis, 1937, ein MUSS, besonders für Thüringer Katholiken!)
Zu meiner großen Erleichterung und Dankbarkeit stellte es sich heraus, daß ich das auch nicht muß. Es gibt nämlich eine Website, die Ida Görres gewidmet ist, eingerichtet und betrieben als ein wahres ‘labour of love’ von Jennifer Bryson, Heiligenkreuz, die die Werke der Görres ins Englische übersetzt (daher ist die Seite auch zweisprachig, unschätzbar!).
Sie hat dort unter “Biographie” zwei Texte von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz einstellen dürfen, wie ich sie sogar unabhängig von der mangelnden Sachkenntnis niemals auch nur ansatzweise hätte verfassen können.
Sie finden sie hier und wenn Sie auch sonst von meinen Adventskalendern nichts halten und überhaupt nicht mehr weiterlesen wollen: Diese beiden Stücke der großartigen emeritierten (aber überaus rührigen) Religionsphilosophin sollten Sie sich gönnen.
Und mindestens ein Buch von Ida Görres. Momentan finden Sie ihre Werke u.U. in der Aussonderung Ihrer Pfarrbibliothek (also, hier, im sog. “Osten”; in Westland geschah der Prozeß vermutlich schon vor 30, 40 Jahren…), wozu ich mal lieber nichts sage.
Gerl-Falkovitz war es auch, die 2015 aus Heiligenkreuz die Briefsammlung herausgegeben hat, aus der ich in den folgenden Wochen Ausschnitte bringen möchte:
“Wirklich die neue Phönixgestalt?” Ida Friedrike Görres, Über Kirche und Konzil: Unbekannte Briefe 1962-1971 an Paulus Gordan.
Paulus Gordan, OSB (1912 – 1999) Benediktiner aus dem von I. Görres heiß geliebten Kloster Beuron (wo sie ihn vermutlich bei unbekannter Gelegenheit kennengelernt hat), der Briefpartner, war ein Konvertit (mit 18 Jahren) aus dem großbürgerlichen Berliner Judentum und in der Zeit des Briefwechsels seinerseits publizistisch und in der Verwaltung des Ordens überaus tätig. Seine Briefe liegen leider, momentan jedenfalls, nicht ebenfalls vor.
Von der Görres offenkundig sehr geschätzt (“ein großer [!] Bruder”) und wohl auch einfach gemocht, geben die Briefe doch ebenso Zeugnis von deutlich verschiedenen Perspektiven und Einschätzungen in Bezug auf das, was zu dieser Zeit das katholische Erdenrund (und damals auch noch Teile der “Welt”…) so überaus beschäftigte: Der losgebrochene Sturm der Veränderung in der Kirche, symbolisiert durch und angetrieben vom 21. Ökumenischen Konzil, dem II. Vatikanum und seinen (unmittelbaren) Folgen, das von Herbst 1962 bis Ende 1965 stattfand und damit wesentliche Überschneidungen mit der Zeit des Briefwechsels aufweist.
Sie haben ja sicherlich inzwischen die oben verlinkte Biographie der Görres gelesen (oder?! 😉 ) und werden daher in dem (natürlich) gut gewählten Buchtitel nicht nur die Skepsis erkennen, die die glaubende Dichterin gegenüber manchem empfand, sondern auch registriert haben, daß Ida Görres ganz gewiß nicht schlechterdings als “Traditionalistin” zu vereinnahmen ist. In keiner Weise jedenfalls, wie sie dem heutigen (allerdings heruntergekommenen) Sprachgebrauch nahe käme.
Aber das wäre ja auch viel zu langweilig. Vielmehr geht es darum, im Spiegel der Äußerungen einer exemplarisch gebildeten, reflektierten, vernetzten, sensiblen und gläubigen Zeitgenossin anzuschauen, wie das damalige Geschehen über sie kam und auf sie wirkte; und dazu ist die Briefform (so wenig ich persönlich mich mit ihrer Lektüre anfreunden mag) natürlich überaus geeignet.
Ich werde mich bei der naturgemäß subjektiven Auswahl bemühen, keine Kategorie von Empfindungen einseitig zu unterschlagen, so sehr ich auch überzeugt bin… aber bilden Sie sich zunächst selbst ein Urteil!
Und wenn wir im Verlauf der Lektüre das ein oder andere déja vu erleben, oder ich zum Schluß vor dem Hintergrund der sehr aktuellen Debatten die ein oder andere Betrachtung zu “dem Konzil” anstelle, dann können Sie ja selbst entscheiden, ob Ihnen das vor dem Hintergrund des Gelesenen überzeugend erscheint, oder nicht!
Kostprobe gefällig?
Denn ich bin nun mal so gebaut […] dass ich derlei Fragen nicht „akademisch behandeln“ kann, sondern sie wie Krankheiten in grossen Schmerzen „ausstehen“ muss – ich kann halt nur „existentiell“ denken und das tut natürlich infam weh und frisst einen auf. […]
Ans Konzil denk ich mit Hoffnung und Angst gemischt – SEHR gemischt! Möge der Hl. Geist nach beiden Seiten sich als der Stärkere zeigen – möge es „Fieber und Heil“ sein, was da entsteht – da es ja doch ohne Fieber nicht geht. Ich fürchte die inneren Spaltungen doch sehr, die subcutanen Häresien. – Gott behüte Sie, und alle guten Wünsche u. Grüsse […]. (18.9.1964)
(alle Hervorhebungen im Original, wenn nicht anders angegeben)
Morgen geht’s los!
Gereon Lamers
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