Zurüruck zum Inhalt

„ … und vergib uns unsere Schuld“

Anmerkungen zur fünften Vater-Unser-Bitte aus
etymologischer Sicht

Als ich unlängst einmal wieder die gotische Bibel hervorholte (warum, wird noch nicht verraten 😉 ), stieß ich im der Ausgabe angehängten Wörterbuch auf den Begriff „skulan“. Er wird mit „schuldig sein, sollen, müssen“ übersetzt und dient im Gotischen zugleich der Bezeichnung des Futurs. In diesem Fall bedeutet er „zukünftig sein, werden, sollen“. Was der „skula“ – der „Schuldige“ – an „skuldo“ – an „Schuld“ – schuldet, ist also das, von dem man jetzt schon sagen kann, daß es definitiv sein wird. Die Schuld ist in diesem Verständnis das, was aussteht, was eingelöst oder bereinigt werden wird.

Denken Sie jetzt auch sofort an das englische „should“? Mir ging es so. Ich assoziierte dieses Wort, dem man die Verwandtschaft mit dem neuhochdeutschen Wort „Schuld“ noch so deutlich ansieht. Auch das Wort „should“ als Vergangenheitsform, aber auch als Konjunktiv des Hilfsverbes „shall“ bezeichnet etwas, das passieren soll. Wie das Chambers Dictionary of Etymology betont (S. 991f), verschwimmt die Differenzierung von „will“ – „werden“ – und „shall“ – „sollen“ – im mündlichen wie schriftlichen Sprachgebrauch jedoch immer mehr und ist heute namentlich im amerikanischen Englisch nicht mehr auszumachen.

Der sprachliche Urahn des Verbs „shall“, nämlich das altenglische „sceal“ – jemandem etwas schuldig sein –, fungierte dem o.g. Dictionary zufolge als Sprachsignal, das ein sicher zu erwartendes zukünftiges Ereignis ankündigte. Der ursprüngliche Sinn von Forderung und Verpflichtung blieb dabei als Konnotation erhalten. Im Mittelenglischen markiert „shall“ dann schlicht und einfach das Futur: „Old English sceal, while retaining its primary sense of obligation or necessity, functioned as a sign of tense announcing a future event that was certain to happen; in the Middle English period, shall began to express simply futurity”.

Geschuldetes zu erstatten, ist unumgänglich, um die Welt wieder ins Gleichgewicht zu bringen: Dieses Empfinden spiegeln die älteren Sprachstufen der germanischen Idiome wider. Auch ritualisierte Bräuche wie der Potlatsch, bei dem nordamerikanische Indianervölker sich bis hin zum eigenen wirtschaftlichen Ruin gegenseitig beschenken, ist ohne ein solches Vorverständnis undenkbar: Man nimmt nicht, ohne zu geben. Unmöglich, daß der Ausgleich unterbleibt. Die Erstattung muß und wird deshalb geschehen.

Und was ist, wenn nicht?

Was ist, wenn wir uns keiner Schuld bewußt sind, weil wir die Wohltaten, die uns zuteil wurden, gar nicht bemerkt haben? Was, wenn wir uns keiner Schuld bewußt sind, weil wir denken, wenn überhaupt, dann seien andere im Unrecht? Was, wenn die Maßstäbe nicht übereinstimmen, nach denen wir im Gegensatz zu anderen Schuldigkeit bemessen oder Gegebenes für selbstverständlich nehmen? Was, wenn unsere Gläubiger nicht mehr leben und wir unsere Schuld – und sei es nur eine immaterielle, nur die Schuld vielfältigen Dankes – nicht mehr erstatten können? Wer richtet dann? Wer bringt die Welt ins Gleichgewicht zurück, wenn wir es nicht vermögen?

Ist für diese Fälle die fünfte Bitte ins Vater Unser gelangt? Ich könnte es mir vorstellen. 

Erzählungen, deren Kern in ebenso ferne Vergangenheiten zurückreichen wie die Forschungen der Sprachwissenschaft, atmen denselben Geist einer objektiven, übernatürlichen Gerechtigkeit, wie es Bräuche anderer Kulturen oder die älteren Sprachstufen des mittel- und nordeuropäischen Raumes tun. In den Erzählungen – etwa Märchen – greift in der Regel eine von den Figuren freilich stets als völlig selbstverständlich hingenommene übernatürliche helfende Macht ins Geschehen ein: sprechende Tiere, wunderliche Alte, verstorbene Ahnen, Hexen und Feen instruieren Heldin oder Helden kenntnisreich und detailliert, händigen ihnen bei Bedarf magische Gegenstände aus und richten das Geschick ihrer Schützlinge meist ohne große Umstände im Handumdrehen.

Da ich noch nie geangelt habe, konnte ich bisher noch nie einen sprechenden Fisch ins Wasser zurückwerfen, um mir seine Zauberkräfte dienstbar zu machen. Auf meinen Spaziergängen wurde ich noch nie von einem Wolf angesprochen und meine Rapunzeln kaufe ich im Supermarkt. Wenn ich beim Schreiben nachdenklich an meinem Fingerring drehe, sitze ich hinterher immer noch im selben Zimmer, und sooft ich Kissen ausschüttele, schneit es nicht. Für mich sieht es also schlecht aus. Die einzige reelle Chance, die mir bleibt, ist, meine Sensibilität für meinen Schutzengel, unsere unsichtbaren Helfer, weiter auszubilden.

Herr, vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Gottes Vergebung ist im Zweifelsfall der einzige bleibende Weg, um die Welt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Bitten wir ihn mit wachsender Inbrunst darum.

Cornelie Becker-Lamers

 

Antwort an Bischof Neymeyr 

Hochwürdigster Herr Bischof,

am vergangnen Sonntag (30. Januar) haben wir abends die Hl. Messe in Herz-Jesu, Weimar mitgefeiert. Hauptzelebrant war Fr. Uwimanafür dessen gelegentlichen Einsatz in unserer Pfarrei wir nur herzlich danken können. Er ist nach dem großartigen Fr. Jude ein weiteres gutes Beispiel dafür, was es ausmacht, wenn die versammelte Gemeinde die Freude am Priester-sein spürt, die diese jungen Männer ausstrahlen. Wie schade, daß es sich bei diesen “Juwelen” regelmäßig nur um Gäste handelt, weil Ihr vor allem in pastoraler Hinsicht  überschätzter Vorgänger, anders als andere Bischöfe, gegen die dauerhafte Bindung von Priestern aus der Weltkirche entschieden hat.
Konzelebrant in dieser Messe war Domkapitular Hübenthal, der zu Ende des Gottesdienstes Ihren Brief an die Bistumsanghörigen vom 28. Januar verlas (der auch am Eingang der Kirche auslag).

In diesem Brief, überschrieben: “Kirche als Heimat des Glaubens”, fordern Sie uns, guterweise nicht zum ersten Mal, auf, für diejenigen zu beten, die in der Kirche, von Klerikern, mißbraucht worden sind. Zu diesem entsetzlichen Unrecht kann es keine zwei Meinungen geben, und das Gebet ist ein essenzieller Bestandteil unser aller Daueraufgabe, die fürchterlichen Geschehnisse zu bewältigen und alles menschenmögliche zu tun, um ihre Wiederholung zu verhindern.
Ob es angesichts eben dieses Charakters als praktische und geistliche Daueraufgabe notwendig, oder hilfreich ist, eine je aktuelle, medial angeheizte Stimmungslage (in diesem Fall durch die Veröffentlichung des Münchner Mißbrauchsgutachtens) zum Anlaß für eine solche exhortatio zu nehmen? Zumal unser Bistum davon unmittelbar so gar nicht berührt scheint?
Aber dazu kann man gewiß unterschiedlicher Auffassung sein. 

Leider hat mich aber die Art und Weise, in der Sie sich an uns wenden, regelrecht verstört, Exzellenz.
Sie schreiben, ohne jede Einschränkung, Papst Benedikt “stehe nicht zu seiner Verantwortung” (als EB von München) und Sie könnten das diesbezügliche Entsetzen vieler Gläubiger “gut verstehen”.

Das kann ich nicht verstehen und damit verstehe ich Sie nicht, Herr Bischof. 

Sie verbreiten damit meiner Überzeugung nach eine Einschätzung, die schon jetzt einer unparteiischen Betrachtung nicht standhalten kann, von der man aber allermindestens sagen muß, daß sie dramatisch verfrüht ist, hat doch der emeritierte Papst eine erneute und diesmal wirklich persönliche Stellungnahme angekündigt.
Wie können Sie in dieser Lage den eingeschworenen Feinden Papst Benedikts, die sich mit ihrer “sprungbereiten Feindseligkeit” seit Jahrzehnten immer und immer wieder auch als Feinde der Kirche gezeigt haben, beispringen? Glauben Sie tatsächlich, deren Furor ließe sich durch solche Gesten der Unterwerfung unter ihre fälschlicherweise beanspruchte Deutungshoheit besänftigen?
Ich hoffe, Sie wissen, daß diese Ihre Sätze nun ebenfalls “Entsetzen” bei etlichen Gläubigen im Bistum Erfurt ausgelöst haben (daß Sie im nächsten Halbsatz auch dem jetzigen Nachfolger Petri “einen mitgeben”, sei nur am Rande erwähnt).

Und es sind nun keineswegs nur ein paar, leider ja gerne auch von Ihnen zur vernachlässigenswerten Minderheit erklärte, “konservative” Laien, die so reagieren. Haben Sie zur Kenntnis genommen, wie sich manche Ihrer Amtsbrüder in dieser Lage geäußert haben? Ich möchte nur wenige Sätze aus der umfangreichen und detaillierten Stellungnahme des Bischofs von Passau, Stefan Oster zitieren: 

Oder will man die Kirche als Ganze treffen, indem man einen ihrer prominentesten Protagonisten trifft? Oder will man innerkirchlich mit Benedikt eine bestimmte Gestalt oder Auffassung von Kirche diskreditieren, weil man eine ganz andere Kirche will als die, für die er steht? Und wird man der Person, dem Menschen, wirklich gerecht, wenn man im Geist einer erregten Öffentlichkeit […] ein so schnelles moralisches Gesamturteil über sein Leben spricht? 

Zum Abschluß Ihres Briefes kommen Sie dann auf den sog. “Synodalen Weg” zu sprechen, im Rahmen dessen “Vorschläge erarbeitet [würden], um die systemischen Ursachen dessen zu bekämpfen, was geschehen ist” und fordern zum Gebet für diese Veranstaltung auf, noch vor der Aufforderung, für die Opfer von Mißbrauch zu beten, übrigens.

Vorschläge”? Als ob es dieser eigentümliche Chimäre von einem Gremium, dessen sog. “Beschlüsse” ohne irgendeine kirchenrechtliche Verbindlichkeit sind und bleiben werden, bedürfte, um etwas gegen den Mißbrauch zu tun! Sie wissen doch genau, was vor allem seit 2010 alles bereits geschehen ist, Sie haben daran mitgewirkt, leitend mitgewirkt!
Was sollen denn all diejenigen denken, die sich in den zurückliegenden Jahren haupt- wie ehrenamtlich dafür krummgelegt haben, um in mühevoller, konkreter Kleinarbeit Verbesserungen herbeizuführen?
Spüren Sie wirklich nicht, daß Sie mit der Übernahme der Fiktion, dem sog. “Synodalen Weg” gehe es um die Mißbrauchsopfer, wie mit der gefährlichen Übernahme des Begriffs von den “systemischen Ursachen”, de facto das Geschäft derjenigen betreiben, die tatsächlich “die Kirche auf den Kopf stellen wollen”, wie es gerade heute ein anderer Ihrer Mitbrüder, der Bischof von Augsburg, Bertram Meier, auf der aktuellen Sitzung ausgedrückt hat? 

Sie, Herr Bischof, stehen in der ungebrochenen Nachfolge der Apostel, denen der HErr selbst Weisung und Amt verliehen hat, wie es in der Tradition der Kirche ausgeformt worden ist. Das ist die alleinige Grundlage Ihrer Autorität und der verpflichtende Anspruch an Ihr Handeln.
Nichts, absolut nichts, was irgendeine willkürlich und intransparent zusammengewürfelte Versammlung sich zusammenfantasiert, wird Ihnen in der Wahrnehmung Ihres Amtes helfen können, und übrigens auch nicht das Urteil der Kirchengeschichte beeinflussen, wenn sie dereinst das Bistum Erfurt betrachtet. 

Wir wissen natürlich, daß Sie es schwer haben, weil unseligerweise ausgerechnet an der Universität  Erfurt mit J. Knop und B. Kranemann besonders üble Vertreter der ‘Theologie des Bruchs’ den Ton angeben. Aber Sie wissen doch auch, daß Sie nie allein sein werden, wenn Sie das richtige tun, damit uns allen “Kirche als Heimat des Glaubens” bleibt. 

In diesem Sinne will ich Sie noch einmal mehr in mein Gebet einschließen und bitte umgekehrt um Ihren Hirtensegen.

 

Gereon Lamers 

Wir sind dabei gewesen…

…, ja, wir werden sagen müssen, am Ende unseres Lebens, daß wir den heutigen Tag erlebt haben, den Tag, an dem die 3. Vollversammlung des sog. “Synodalen Wegs” über einen ersten Text abgestimmt, und ihn mit einer doppelten Zweidrittel-Mehrheit angenommen hat, das heißt von den anwesenden Bischöfen stimmten 41 dafür und nur 16 dagegen. Es handelte sich um nichts weniger, als einen “Theologischen Grundlagentext”, was nichts anderes bedeutet, als daß künftig versucht werden wird, ihn als universelle Basis für alles weitere zu nutzen, immer mit der Ansage an den Episkopat: ‘Ihr habt doch der Grundlage zugestimmt’.

Zwar bindet weder dieser, noch irgendeiner der Texte, den diese selbstermächtigte Chimäre von einem Gremium jemals in die Welt setzen wird, irgend jemanden, weder den Klerus, noch gar uns einfache Gläubige, die wir niemanden legitmiert haben, für uns zu sprechen, aber leider wissen wir, daß derartige Geschehnisse eine schlimme Eigendynamik entfachen können; die Lage ist daher unzweifelhaft ernst.

Hoffen und beten wir, daß die Kirchengeschichte von diesem Tag nicht einmal wird sagen müssen, daß von ihm der zweite große Deutsche Abfall nach 1517 seinen Ausgang nahm.

Lassen wir uns zu diesem Gebet anregen von dem Bild aus dem Zyklus zum Leben des Hl. Franziskus von Giotto di Bondone (1267-1337), eine Variation des berühmten “Franz, bau meine Kirche wieder auf!”, hier nichts weniger, als die Lateranbasilika. Und Heiligkeit werden wir brauchen.

Giotto di Bondone, Franziskus-Zyklus ( Bild: Ökumenisches Heiligenlexikon, gemeinfrei)

Gereon Lamers

„Herr, nun lässest du …“: Wann können Alte in Frieden sterben?

Lichtmeß und ‚Corona‘

 „Nun entläßt du deinen Diener, Herr, nach deinem Wort in Frieden. Denn meine Augen haben dein Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast.“ (Lk 2, 29f) So der greise Simeon, dem die Weissagung geworden war, nicht eher den Tod als den Heiland zu schauen. Vom Heiligen Geist getrieben, begibt sich Simeon in den Tempel in Jerusalem, gerade als Maria und Josef mit ihrem Baby dort zur Opferung erscheinen. Er erkennt das Wesen Jesu als Christus den Erlöser, nimmt ihn in den Arm und lobt Gott. Simeon ist lebenssatt und möchte sterben. Nun, angesichts dieses Kindes, kann er in Frieden gehen.

Natürlich haben sich Komponisten seit Schütz und Bach dieser Sätze zur Vertonung angenommen. Wir haben Ihnen ein Video der Vertonung durch Felix Mendelssohn-Bartholdy herausgesucht.

Hm. Schön! Aber wer von uns wird derart gesegnet entschlafen können? Wem von uns wird es vergönnt sein, davor den Heiland in den Armen zu halten? Niemandem natürlich. Denn auch wenn Christus wiederkommt, wird er als Richter erscheinen. Das mit dem Baby ist ein für allemal Geschichte.

Und doch geht es den meisten alten Menschen so, daß der Anblick fröhlicher Kinder und freundlicher Jugendlicher ihnen Seelenruhe und inneren Frieden schenkt. Es müssen nicht einmal die eigenen Kinder sein. Weswegen ich bei unserem Pfarrer, wenn er so gar nicht für Kinder- und Jugendchöre Werbung in der Pfarrei machen wollte, geraten habe, die Förderung der musikalischen Nachwuchsarbeit für sich selber dann eben unter dem Titel „Seniorenseelsorge“ zu verbuchen: Gerade für die alten Herrschaften war es immer ein Fest, wenn die Cäcilini kurz vor Heiligabend in einem Pflegeheim ein Advents- und Weihnachtsliederprogramm zu Gehör brachten (so geschehen 2012, 13, 18 und 19) oder bei den wöchentlichen Treffen der Senioren im Gemeindehaus Musik machten (was noch wesentlich öfter geschah).

Viele alte Menschen sind, ob krank oder bei Kräften, lebenssatt und wissen, daß sie ihr Leben gelebt und mit Gottes Hilfe das beste daraus gemacht haben: „Life is not a matter of holding good cards, but of playing a poor hand well“, wie mein Vater des öfteren Robert Louis Stevenson zu zitieren pflegte. Als ihm zu seinem Herzschrittmacher auch noch ein Defibrillator eingesetzt wurde, sagte er traurig: „Nu kann ick ja an nüscht mehr sterben!“ Mit über 80 noch etwas grundsätzlich ‘rauszureißen, streben die wenigsten an. Irgendwann will jeder gehen.

Was ihnen aber wohl allen wichtig ist, ist zu wissen, daß das Leben weitergeht. In den eigenen Enkeln und Urenkeln oder in anderen Jugendlichen und Studierenden. Das Gefühl zu haben, die jungen Leute werden zum Verschwinden gebracht, um ihre Bildung und Lebensfreude, um ihre Pläne, ja um Planbarkeit schlechthin im Leben betrogen, das verhindert sicherlich, daß jemand seelenruhig die Augen schließt.

Dies ist geschehen, wir alle wissen es, in den vergangenen zwei Jahren. Unter der Maßgabe eines ungefragt aufgezwungenen Gesundheitsschutzes wurden alte Menschen und deren Familien in Scharen entmündigt und Mütter, Väter, Großmütter und Großväter isoliert und alleine gelassen. Heute, zu Lichtmeß 2022, gehen meine Gedanken und mein Mitgefühl zu den vielen alten Menschen, die durch Besuchsverbote und die vorsorglichen Quarantänen auch gesunden Pflegepersonals an oder in einer verordneten Einsamkeit sterben mußten.

Cornelie Becker-Lamers

Bildnis der Bloggerin 2021/22 “Tapfer wie eine Kirschblüte”

Das Bildnis der Bloggerin zum Adventskalender mit Ida Fr. Görres

Sie kennen das ja inzwischen, unser scherzhaft bebilderter Beitrag zum Abschluß des jeweiligen Adventskalenders; “Bildnis der Bloggers, bzw. der Bloggerin mit eigentümlicher Kopfbedeckung”, kommt gerne mal “etwas” später, das ist nun schon seit 2017 so, und daß er am letzten Tag der Weihnachtszeit, also zum schönen Fest Mariae Lichtmeß erscheint, ist fast schon eine Art “Sub-Tradition” geworden. 😉

Ida Friederike Görres aber war bekanntlich zur Hälfte Japanerin und hatte davon ein überaus waches Bewußtsein. Dies war schließlich die Inspiration für das diesjährige “Bildnis der Bloggerin”, das den auch im vergangenen Jahr wieder viel größeren Beitrag Cornelies zum “Projekt PuLa” gerecht widerspiegelt!

Enjoy! 🙂 

A la japonnaise (eigenes Bild)

“Tapfer wie eine Kirschblüte”, so auch der Titel eines Beitrags von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz über die Dichterin, und was leicht als ein sentimentales Sprachbild mißverstanden werden könnte, das hat sich, glaube ich, tatsächlich in etlichen der Texte aus dem Briefwechsel mit P. Gordan, die wir im Advent verfolgt haben, deutlich gezeigt: Die Haltung gegenüber den Zumutungen der “Konzilszeit”, die im Laufe des Zeitraums, über den sich der Austausch erstreckte, nur noch immer mehr zunahmen, sie war  genau darin “tapfer”, daß I. Görres nie weggeschaut hat, nie zugekleistert hat, was sie doch so scharf analysiert und unmittelbar erlitten hat!
Persönlich habe ich es als geradezu herzzerreißend empfunden, wie sie demgegenüber, was sie an Glaubensverdunstung und Formverlust wahrnahm und eben immer weniger als Oberflächenphänomen, als bloße “Geburtswehen” mißverstehen konnte, dennoch immer die von ihr wohl seit ihren Zeiten in der katholischen Jugendbewegung hochgehaltene Überzeugung von der Notwendigkeit grundlegender Veränderungen in der Kirche verteidigte. Sozusagen, so habe ich mehr als einmal gedacht, geradezu sich selbst, ihren aktuellen Einsichten, der schlichten Evidenz und unabweisbaren Logik gegenüber verteidigt…

Ida Friederike Görres ist, so meine persönliche Überzeugung, nicht nur gewissermaßen auf, nein, sie ist an der “Würzburger Synode” gestorben. Aber das war immerhin tatsächlich noch eine ‘Synode’, was sie heute zu dem irregulären Phänomen namens “Synodaler Weg” sagen würde, sagen müßte, das sich morgen (3.Februar 2022) erneut zusammenrottet? Ihre Erschütterung wäre wohl noch erheblich größer, nicht zuletzt, weil sie die heutigen “Buzzwords” sehr schnell als kranke Wiedergänger der damaligen Stichworte erkennen müßte.

Wir sind, glaube ich, der Dichterin und etlichen ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus der Zeit der katholischen Jugendbewegung etwas schuldig. Zweierlei: Zunächst, daß wir wirklich genau hinschauen und ihr damaliges tiefgläubiges Sehnen nach Erneuerung und Aufbruch in der Kirche nicht verwechseln mit den häßlichen Zerrbildern, zu denen diese Begriffe heute verkommen sind. Je länger ich mit damit befasse, wenn auch bisher sehr unsystematisch, desto mehr drängt sich mir der Eindruck auf, daß die Wirklichkeiten, die hier hinter der jeweiligen Verwendung der gleichen Wörter stehen, unterschiedlicher nicht sein könnten und das eine mit dem anderen tatsächlich erstaunlich wenig zu tun hat!
Und damit eng verbunden zweitens, daß wir die heutigen Abbruchunternehmer der Kirche in Deutschland in Wissenschaft, “ZdK” aber eben leider auch Episkopat nicht damit davonkommen lassen, wenn sie versuchen, sich in diese Traditionslinie zu stellen und ihr toxisches Rumhantieren an den Grundfesten der Kirche als eine Art zwingender Fortsetzung des damals erhofften darzustellen. Das ist falsch!

Vielmehr sollten wir die Görres und alle, die damals schon gelitten haben unter dem, was im Namen “Des Konzils” geschah, ehren, indem wir endlich einsehen, daß es höchste Zeit ist, das 21. Ökumenische Konzil und seine Folgen als historische Phänomene zu betrachten, Produkte ihrer Zeit, wie seine 20 Vorgänger, der Fortentwicklung im Fluß der katholischen Tradition zugänglich, gegebenenfalls auch der Korrektur. Und nicht ein Popanz, an dem nicht gerüttelt werden darf, bloß weil seine Interpretinnen und Interpreten mit dem Bild, das sie davon entworfen haben, weiterhin ihr Süppchen kochen und ihre Pfründe sichern möchten.

Wenn wir uns dabei an der im besten Sinne adeligen, der noblen Geisteshaltung der Görres orientieren, können wir nicht falsch liegen.

 

Gereon Lamers

Dreifaches Abendlob

Genießen Sie die Prüfungsleistungen der Musikhochschüler!

Erwähnte ich schon, wie schön es ist, daß wir hier eine Musikhochschule mit den Studienfächern Kirchenmusik, Gesang und Chorleitung hier am Ort haben? Ja.

Dieser Tage profitiert die Pfarrgemeinde wieder von den Prüfungsleistungen der jungen Leute, die in kleinen Konzerten mit aufgeteiltem Dirigat und kleinen Orgelkonzerten der Studierenden bestehen. So war am Samstag Abend zu einem einstündigen Konzert eines 15köpfigen Projektchors eingeladen worden, der in der dargebrachten Barockmusik zu historischen Instrumenten (vier Streicher und Truhenorgel) besonders durch die strahlenden Sopran- und Tenorstimmen bestach.

Konzertplakat im Aushang der katholischen Pfarrkirche Herz Jesu Weimar (eigenes Bild)

Ein wieder mal unvergleichliches Erlebnis in der noch weihnachtlich geschmückten Kirche, bei dem die „schutzmaßnahmen“-bedingte magere Zahl der gesichtsverhängten Zuhörenden den einzigen Wermutstropfen in die Lebensfreude goß. Aus der Pfarrei war trotz Vermeldungen kaum jemand gekommen.

Der Projektchor aus Studierenden der Chorleitungsklasse Prof. Kerstin Behnke der HfM Weimar vor Beginn des Konzertes (eigenes Bild)

Neben dem ‚unvermeidlichen‘ „Verleih uns Frieden genädiglich“ von Heinrich Schütz (1585-1672), dessen 350. Todestages in diesem Jahr von Chören – früher hätte man gesagt: landauf landab; sagen wir jetzt: so sie noch existieren und proben dürfen – gedacht wird, war „Befiehl dem Engel, daß er komm“ von Dietrich Buxtehude (BuxWV 10) für Gereon und mich die Entdeckung des Abends. Ein wunderschönes Stück Musik! Natürlich ist es auch auf youtube zu finden. Sie müssen sich jetzt nur die Stimmen jünger, schlanker und klarer vorstellen – dann haben Sie in etwa das Hörerlebnis vom letzten Samstag. Enjoy! 🙂

Und es geht weiter mit den Orgelprüfungen der Studierenden, von denen sich vier am Samstag das Dirigat aufgeteilt hatten. Gestern und heute Abend sind die Prüfungen der Klasse Prof. Martin Sturm jeweils in ein Abendlob integriert, in dem Pfarrer Gothe der Musik mit einem Gemeindelied, Lesung und Gebeten einen liturgischen Rahmen gibt. Während wir gestern nun schon Stücke von Bach, Muffat, Reger, Brahms, Franck und das „Präludium und Fuge über B-A-C-H“ von Franz Liszt verpaßt haben, können wir heute noch die Empfehlung für das Abendlob um 18 Uhr mit mehreren Werken von Bach, zudem Frescobaldi, Peter Eben sowie dem „Prélude et Fugue sur le nom d’Alain“ von Maurice Duruflé aussprechen. In diesem Werk setzt Duruflé seinem um neun Jahre jüngeren, aber im Alter von 29 Jahren bei Saumur gefallenen Kollegen Jehan Alain ein musikalisches Denkmal. Alains Geburtstag jährt sich übrigens am kommenden Donnerstag, dem 3. Februar, zum 111. mal.

Wenn Sie sich fragen, wie um alles in der Welt sich die Buchstaben „l“, „i“ und „n“ in Melodienmaterial verwandeln lassen, so geht es Ihnen wie mir. Ich habe mich irgendwann einmal darüber erkundigt und herausbekommen, daß Duruflé hier wohl die Tonleiter einfach dem Alphabet folgend weitergezählt hat, so daß er nach dem „h“ als achtem Buchstaben und Ton für das „i“ beim c, für das „l“ beim f und so weiter landete. Auffällig jedenfalls in der Komposition die einleitende Umspielung des a. Damit Sie das gut sehen können, habe ich ein Video mit Notenmaterial herausgesucht, es gibt natürlich auch andere Einspielungen.

Enjoy! 🙂

 

Cornelie Becker-Lamers

„Genesen“

Eine kurze Bemerkung zur langen Geschichte eines derzeit so mißbrauchten Wortes

Die Arbeit am Nachruf auf George Alexander Albrecht, den wir gestern an dieser Stelle publiziert haben, rief mir ein Gedicht Detlev von Liliencrons ins Gedächtnis, das Johannes Brahms sehr schön in Töne gegossen hat: „Auf dem Kirchhofe“. Dieses Gedicht, das einen Gang zum Friedhof bei symbolisch schlechtem Wetter beschreibt, macht zunächst den Vanitas-Gedanken zum Thema. Wie dem lyrischen Ich der Regen ins Gesicht peitscht und – es kann nicht anders sein – der Sturm die Kleidung zaust, so schlägt ihm auch seelisch  Verstörendes entgegen. Es begegnet ihm eine Vergänglichkeit, die selbst auf Erden Haltbarstes wie den Stein erfaßt. Verwelkte Kränze und die Verwitterung der Grabmale sind die äußeren Zeichen für den Tod und vor allem für ein Vergessen-worden-sein, das mit der Verwitterung der Namen die Identität der Toten ausgelöscht hat. Das Nicht-mehr des Gewesenen scheint letztlich die einzige Botschaft, die die Eiseskälte des Todes hinterläßt.

Oder?

Auf dem Kirchhofe

Der Tag ging regenschwer und sturmbewegt,
Ich war an manch vergeßnem Grab gewesen,
Verwittert Stein und Kreuz, die Kränze alt,
Die Namen überwachsen, kaum zu lesen.

Der Tag ging sturmbewegt und regenschwer,
Auf allen Gräbern fror das Wort: Gewesen.
Wie sturmestot die Särge schlummerten,
Auf allen Gräbern taute still: Genesen.
Detlev von Liliencron (1844-1909)

Das letzte Wort, der letzte Vers kehrt die Bewertung alles zuvor Gesagten um. Wie die Verwitterung des Steins, so ist auch das Vergessen-worden-sein nur ein irdisches. Nur das Materielle verfällt, nur „die Särge“ schlummern. Nur die menschlichen Kapazitäten der Nachkommen sind zu begrenzt, um aller Toten zu gedenken. „Und doch ist Einer“, wie Rilke es so wunderschön formuliert, Einer, der alle, der alles Fallen, Welken und Vergehen „unendlich sanft in seinen Händen hält“. Wie Max Reger es in seiner zunächst so verstörenden Vertonung des „schweren Traums“ („Ich hab die Nacht geträumet“) musikalisch darstellt, so wird hier sprachlich der Tod als Heilung erkennbar. Das Sterben wird zur Genesung von der Krankheit, die das Leben ist: Das „Auf allen Gräbern taute still: Genesen“ haucht mit dem erlösend-deutenden Wort den warmen, lebenspendenden Atem des Ewigen Lebens ins Gedicht.

Was bedeutet: Genesen?

Das von Friedrich Kluge begründete etymologische Wörterbuch gibt als Ausgangsbedeutung des Wortes „genesen“ das unbeschadete Zurückkommen an. Die indoeuropäischen Verwandtschaften lassen auf eine Grundbedeutung des Wortstammes von heimkommen, ankommen, überstehen schließen. Über die Lautverschiebung des sogenannten grammatischen Wechsels, wodurch in Konjugationen und Substantivierungen auch s und r wechseln können (geläufige Beispiele sind Präteritum und Perfekt von „sein“: „war“ und „gewesen“, aber auch „verlieren“ und „Verlust“) wird als Kausativum von „genesen“ das Verb „nähren“ erkannt mit seiner Grundbedeutung von retten, überstehen machen, am Leben erhalten.

Retten. Heimkommen. Überstehen. Das ist das weite und große Wortfeld um das Wort „genesen“, das derzeit in aller Munde ist und dabei zugleich so zur Unkenntlichkeit zurückgestutzt und mißbraucht wird. Lassen Sie den Mißbrauch nicht am Wort kleben bleiben. Entpolitisieren Sie es für sich wieder, indem Sie sich seiner so unendlich viel größeren Bedeutung erinnern!

Hören wir zum Abschluß noch ein bißchen Musik. Johannes Brahms hat Liliencrons Gedicht vermutlich 1888 vertont und als viertes seiner Fünf Lieder für eine tiefere Stimme und Klavier in sein op. 105 aufgenommen. Wir haben für Sie eine Interpretation von Bernarda Fink herausgesucht. Enjoy!

Cornelie Becker-Lamers

 

Wer aber hohe Stimme bevorzugt, hier ist eine Interpretation von Benita Valente.

Cornelie Becker-Lamers

„Gewänder der Erwartung“

Zum Tod des Dirigenten und Komponisten George Alexander Albrecht

Viel Persönliches kann ich nicht berichten. So gut kannten wir den Grand Seigneur des Weimarer Kulturlebens des letzten Vierteljahrhunderts nicht: Ein gemeinsames mehrtätiges Gregorianikseminar in der Schloßkapelle Ettersburg, das Pater Michael Hermes, ein Missionsbenediktiner aus Königsmünster, im Sommer 2008 abhielt; daraus resultierend einige private Treffen zum Singen und Reden, Begegnungen bei gemeinsamen guten Freunden … aber er war ein fester Bestandteil der Gemeinde Herz Jesu Weimar: George Alexander Albrecht,  Generalmusikdirektor der Staatskapelle Weimar von 1996-2002, der am 21. Dezember 2021 im Alter von 86 Jahren verstorben ist. Ein Dreivierteljahr vor seinem Tod noch ins Voralpenland verzogen, wählte er sich dennoch den Weimarer Hauptfriedhof zur letzten Ruhestätte.

Das Grab George Alexander Albrechts an der westlichen Außenmauer des Weimarer Hauptfriedhofs etwa 100 m oberhalb des Zugangs Cranachstraße (eigenes Bild vom 12. Januar 2022)

Das Requiem unmittelbar vor der Beisetzung fand aufgrund der Corona-Teilnehmerbegrenzung am 5. Januar 2022 im Mariendom zu Erfurt statt, doch der Zelebrant war der Weimarer Ortsgeistliche Pfarrer Gothe. Der Hohe Chor war gefüllt, daß es aussah „wie früher“ (Pfr. Gothe), aber die Veranstaltung blieb von Personenschutz verschont (der Verstorbene war ja ein Onkel der derzeitigen Präsidentin der Europäischen Kommission).

George Alexander Albrecht war ein treues, zurückhaltendes und doch immer sichtbares Mitglied unserer kleinen, besonderen Weimarer katholischen Gemeinde. Sicher – vor Jugendmessen, als es sie noch gab, sah man ihn durchaus kurz vor 18 Uhr bestürzt und mit von geradezu existentieller Angst gezeichneten Miene wieder aus der Kirche fliehen. Doch als er sein Buch über die Sinfonien Gustav Mahlers publiziert hatte, referierte er darüber in unserem Gemeindehaus. Das Schicksal der neuen Franz-Liszt-Gedächtnisorgel und vor allem ihres Initiators, Prof. Michael Kapsner, trieb auch ihn um und zu, dem Gewicht von Profession und Persönlichkeit zum Trotz, leider erfolglosen Gesprächen u.a. mit dem Weihbischof oder auch mit dem Präsidenten der Weimarer Musikhochschule als Eignerin des Instrumentes.

Die Überschrift über diesem Text ist der Ansprache entnommen, die einer der engsten Freunde Albrechts, der ehemalige Präsident der Stiftung Weimarer Klassik Hellmut Seemann, auf testamentarischen Wunsch des Verstorbenen während des Requiems im Mariendom vortrug.
Seemann schildert seinen Freund darin vor allem als den Tiefgläubigen, der Albrecht nach seiner Begegnung mit den oben schon erwähnten Mönchen aus Meschede geworden war. Albrecht habe, so Seemann, „das Musizieren, das in die Stille, und das Gebet, das ins Schweigen führt, gläubig“ eingeübt. „Diese Stille und dieses Schweigen“, die nicht die „Abwesenheit von Tönen und Worten“ seien, sondern „Gewänder der Erwartung“: Ein Leben als fortwährender Advent, als ständige Erwartung jenes „vollen Klangs der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet“, wie Seemann mit einer Strophe aus einem Bonhoeffer-Gedicht schloß.

PuLa möchte seine Trauer über das Ableben eines ebenso großen wie großherzigen zeitgenössischen Musikers und Gemeindemitglieds aussprechen und seine Leserschaft dessen ehrenden Andenkens versichern.

 

R.I.P

 

Cornelie Becker-Lamers, Weimar

Beten für die Erneuerung der Kirche…

…am besten – jetzt!

Vielleicht wissen Sie ja, warum es so gefährlich ist, sich bei Sturm einer abgestorbenen Birke (sie werden leider nicht so alt) zu nähern? Weil der Stamm mit seiner ansehnlichen schwarz-weißen Rinde noch ganz lange intakt und stabil aussehen kann, innerlich dabei aber häufig schon völlig vermodert ist, so daß schon ein relativ mildes Stürmchen ihn umwerfen kann – hoffentlich nicht in Ihre Richtung!
Ich habe solche Bäume in meiner Jugend im Westerwald (wo es mehr als nur milde Stürmchen gibt!) selbst erlebt, und dünnere Bäume in diesem Zustand konnte man wörtlich mit der Hand umdrücken.
Das liegt genau an den besonderen Eigenschaften der Birkenrinde: Sie besteht zu einem so hohen Anteil aus natürlichen Ölen und Wachsen, daß sie nicht nur der beste Feueranzünder ist, den man im Wald sammeln kann, sondern die Feuchtigkeit im noch stehenden aber schon toten Baum so einschließt, daß das Holz nicht trocknen kann und bald alle möglichen Mikroorganismen anfangen es zu zersetzen und ihm seine Festigkeit nehmen. Gefährlich.

Abgestorbene Birken, hier aufgrund einer Wiedervernässung ( Bild: Herbert Horche – Own work, CC BY-SA 3.0, Link)

Und gefährlich ist auch der Zustand der Kirche in Deutschland, der immer mehr dem Bild einer solchen Birke entspricht, außen hui, innen…

Jüngster Anlaß für diese wahrlich nicht neue Feststellung? Eine Nachricht heute heute auf CNA (Catholic News Agency, der tatsächlich katholischen Nachrichtenagentur), hier

“Tut dies zu meinem Gedächtnis” so die unmißverständlichen Einsetzungsworte des HErrn, wie sie in allen Hochgebeten jeden Sonntag gesprochen werden. TUT ES!
Jeden Sonntag? O, nein:

“Och, nö, wie haben was besseres vor, wie lesen jetzt drei Wochen aus dem Bericht einer Anwaltskanzlei vor” sagen der Aschaffenburger Pfarrer Markus Krauth und der vierköpfige Vorstand des dortigen „Gemeinde-Gremiums“. (Doch, wirklich, ich kann mir sowas nicht ausdenken, heaven forbid!) 

Und was sagt die zuständige Autorität, das Bistum Würzburg?
“Wir finden das aber gar nicht gut. Wollt ihr da nicht bitte nochmal drüber nachdenken?”

Das ist die Realität der Kirche in Deutschland. Verrottet von unten bis oben, akut einsturzgefährdet, obwohl sie äußerlich noch relativ proper daherkommt. Wie die tote Birke! 

Und in ein paar Tagen werden sich wieder diejenigen zusammenrotten (ermöglicht mit unserem Geld, wohlgemerkt!), die als Teilnehmer am sog. “Synodalen Weg”  als Brandbeschleuniger und Abbruchunternehmer an dem fragilen Gebilde herumbasteln.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Initiative “Neuer Anfang” um den Arbeitskreis Christliche Anthropologie/Dialogforum Weltkirche e.V. entschlossen, zu einer Novene für eine echte Erneuerung der Kirche im Vorfeld der anstehenden “Synodalversammlung” aufzurufen.

Novene und Litanei (eigenes Bild)

Die dafür entstandenen Texte sind ganz hervorragend (die PuLa zumindest z.T. persönlich bekannten Autorinnen bürgen für Qualität!) und Sie finden sie hier.

Heute (28. Januar) soll es losgehen und es tut uns sehr leid, Sie erst jetzt davon zu unterrichten, aber andererseits wo, wenn nicht hier gälte mehr: “Besser spät, als nie!”?

Allenfalls möchten wir noch anregen, die relativ kurzen Gebete nach guter katholischer Tradition um eine anständige Litanei zu ergänzen, aus dem Gotteslob oder selbst gesucht, den oben zu sehenden lateinischen Text der Lauretanischen Litanei, handlich eingerichtet, senden wir Ihnen auf Anfrage gern zu.

 

Auf geht’s!

 

Gereon Lamers 

 

PS: Vielleicht hat es dem Bistum Würzburg ja doch nicht so gut getan, jahrelang einen verhinderten Künstler als Bischof zu haben…

PPS: Zu Ehren des Geburtstages von Wolfgang Amadeus Mozart, der sich heute zum 266. Mal jährt, möchten wir mit einer kleinen passenden Musik von ihm schließen, nämlich mit dem Sancta Maria KV 273. Wie es der Zufall will, ist eine hervorragende Interpretation auf youtube verfügbar vom Ungarischen Rundfunkchor unter István Ella – und der ist ja nun auf PuLa auch kein Unbekannter mehr 😉

Enjoy 🙂

PuLa-Reloaded: Die Regelverletzung

Höchste Zeit, die “PuLa-Reloaded” nach der Pause in der Advents- und unmittelbaren Weihnachtszeit, wieder zu beginnen!
Heute mit einem Text von Ende März 2014 (hier) ein Sketch, also witzig. Eigentlich.
Tatsächlich kann einem aber nach der ersten Heiterkeit das Lachen auch durchaus vergehen, denn was der Text auf’s Korn nimmt, die glaubenslose Formvergessenheit, um es ganz kurz zu fassen, das ist 8 Jahre später in Herz-Jesu Weimar (dem Himmel sei Dank!) kein vorrangiges Problem mehr, in der “deutschen katholischen Kirche”, wie es im Sketch heißt, jedoch umso mehr.

Ich hätte unterdessen mehr als einen weiteren Text über “Das Elend der Westkirche” schreiben können, zum Teil ist das (bisher) schlicht aus Erschütterung unterblieben!
Und was sich weiterhin mit dem Suizidalen, äh, Entschuldigung, sog. “Synodalen Weg” tut, das könnte ich nicht besser ausdrücken, als mit diesem aktuellen Zitat:

Ich habe mich nie so geschämt für die Katholische Kirche in Deutschland wie in diesen Tagen, in denen mit bischöflicher Beteiligung ein von langer Hand inszenierter Putsch gegen alles stattfindet, was Kirche in der Kontinuität mit Schrift und Überlieferung ausmacht. Es ist zu befürchten, dass hier eine neue, humanistische „Religion“ in Szene gesetzt werden soll, für die man eines oder einen am wenigsten braucht: Gott.

Es stammt von Bernhard Meuser und Sie finden es in diesem hervorragenden Beitrag auf der Website von “neuer Anfang” (auf diese Initiative kommen wir sehr bald zurück).

Aber leider GOttes ist es ja mit dem Blick auf die katastrophalen Verhältnisse in Deutschland (und weiten Teilen Europas und Amerikas) noch nicht getan. Nein, heutzutage erhalten mit schöner Regelmäßigkeit all diejenigen, die besonders in “ordentlicher” Liturgie erblicken, “was Kirche in der Kontinuität mit Schrift und Überlieferung ausmacht” regelmäßig “Watschen” aus Rom, vom Papst selbst.
Gerade am vergangenen Sonntag (22. Januar, “Wort-Gottes-Sonntag”) hat er uns wieder als  “Starre” beschimpft und uns nichts weniger als “Götzendienst” vorgeworfen (hier) von der schändlichen Behandlung aller Freunde der traditionellen Liturgie möchte ich heute gar nicht erst anfangen!

Nun, das wird vorübergehen, so traurig und bedrückend es auch ist, aber eines wüßte ich doch gern, nämlich wo der Hl. Vater die Verbündeten für seine ja erfreulich klare Ablehnung des sog. “Synodalen Weges” hernehmen möchte, wenn er zugleich die treuesten, jüngsten und engagiertesten Töchter und Söhne der Kirche permanent vor den Kopf stößt…

Nun ja, derartige Unklarheiten gibt es im Mitumba-Gebirge jedenfalls nicht, daher;

Enjoy! 🙂

Gereon Lamers

 

Die Regelverletzung

Ein Sketch für drei Personen und beliebig viele Statisten

Zentralafrika, eines schönen Septembertages im Süden der Demokratischen Republik Kongo. Nahe der Quelle des Lualaba, der später als Kongo das ganze Land durchströmt, also in der Region Katanga westlich von Lubumbashi, hastet ein junger, hochaufgeschossener Mann in der Mittagshitze durch das dünnbesiedelte Bergland in Richtung sambisch-kongolesischer Grenze. Soeben erreicht er das wenige Hütten umfassende Dorf Mbene, in dem er Aufnahme und Versteck zu finden hofft und sinkt völlig entkräftet vor dem am spezifischen Federschmuck zu erkennenden Zelt des ortsansässigen Schamanen zu Boden.

Der besseren Lesbarkeit halber geben wir die sich nun entspinnende, in Swahili geführte Unterhaltung in deutscher Übersetzung wieder.

Der junge Mann: Wasser!

Der Schamane (tritt nach einer ganzen Weile aus seinem Zelt, voller Verwunderung): Wer hetzt denn in der Mittagshitze hier herum?

Der junge Mann: Wasser! Ndongi! Hilf!

Der Schamane (ruft etwas in sein Zelt und wendet sich dann wieder dem unerwarteten Gast zu): Tbalete! Du! Warum bist du jetzt, wo es um Regen zu bitten gilt, nicht zu Hause bei deiner Arbeit? (Er reicht ihm die Hand, um ihn in eine sitzende Position hochzuziehen. Die beiden setzen sich einander gegenüber.)

Der junge Mann (beugt sich eindringlich zum Schamanen hinüber): Ndongi! Versteck mich! Sie verfolgen mich! Bei der Barmherzigkeit der Quellgöttin des Lualalba, hilf! (Er sinkt wieder vor dem Kollegen in den Staub und beugt sein Gesicht bis zur Erde.)

Der Schamane (zieht ihn wieder hoch): Wer? Wer verfolgt dich?

(Eine Frau tritt aus dem Zelt des Schamanen, reicht dem Gast einen irdenen Becher mit Wasser und zieht sich sofort ins Zelt zurück.)

Der junge Mann (trinkt): Alle! (Er schluckt.) Alle aus meinem Dorf.

Der Schamane: Ui! Das ist unangenehm! (Er macht eine Kunstpause; ernst): Was hast du dir denn zuschulden kommen lassen?

Der junge Mann (drückt sein Gesicht wieder in den Staub): Ich habe zum Regentanz das falsche Lied gesungen.

Der Schamane (springt entsetzt auf): Ah! Fort mit dir! (Er stößt ihn mit dem Fuß an.) Das Unheil, das du heraufbeschworen hast, möge mein Dorf nicht auch treffen! Weg! Zieh weiter! Helfe dir, wer kann! (Er verschwindet in seinem Zelt und erhebt einen rituellen Gesang zu Schadensabwehr und seelischer Reinigung.)

Der junge Mann (vor dem Zelt): Hilf mir! Sie werden mich umbringen!

Der Schamane (aus dem Zelt): Dann leihen sie ihre Hände nur der Göttin, die du so schändlich verhöhnt hast! (Er singt weiter. Nach einer Weile verstummt er und steckt den Kopf aus der Tür): Welchen Gesang hast du denn ausgesucht?

Der junge Mann (schluchzt): Den für die Segnung der Wurzeln und des Rindenanstichs.

Der Schamane (entsetzt): Du Wahnsinniger! Die Göttin hat unsere Ahnen die richtigen Gesänge für jeden Anlaß gelehrt, von Vater zu Sohn werden sie seit Anbeginn der Welt überliefert. Wie kannst du es wagen, in ihre Ordnung einzugreifen, ohne ihren Zorn zu fürchten?

Der junge Mann (ist wieder in sich zusammengesunken): Aber ich habe den schöneren Gesang gewählt … um sie um so sicherer zu verherrlichen! Ich habe es nur gut gemeint!

Der Schamane: Was schön ist oder nicht, obliegt nicht deinem Urteil! Wir sind doch hier nicht in der deutschen katholischen Kirche!

Der junge Mann (schaut verdutzt auf): In der was?

Der Schamane (verächtlich): In der deutschen katholischen Kirche.

Der junge Mann: Was ist das denn?

Der Schamane (tritt gänzlich aus seinem Zelt, wichtig): Also: Der Neffe des Urgroßvaters der Schwägerin meiner ersten Frau …

Eine Frauenstimme (etwas verärgert aus dem Zelt): … der Cousine deiner ersten Frau!

Der Schamane (mit Blick über die Schulter in Richtung Zelt): … der Cousine meiner ersten Frau ist Bischof in Bukavu und war …

Der junge Mann (völlig überfordert): Bischof?

Der Schamane: … ja … so was wie wir hier, nur für die Katholiken. Aber hör doch mal zu! Er war in Deutschland …

Der junge Mann: … das mit den tollen Sozialsystemen?

Der Schamane: … ja! Aber hör zu! Er war in so einer Kleinstadt irgendwo mitten im Land und sagt, es herrschen Zustände … da machst du dir keine Vorstellung!

Der junge Mann: Ja? Was denn?

Der Schamane: Kein Gespür für Hierarchien – der Priester benimmt sich wie ein Kumpel – irgendeine Frau springt ständig da rum – Liturgie nach Tagesform … Un-mög-lich!

Der junge Mann (verstört): Na, so will man’s natürlich auch wieder nicht haben …

Der Schamane: Das sag ich dir! Keine zehn Pferde bringen mich dahin! Jeder hat einen Wagen, aber wie sie Gott verehren sollen, wissen sie nicht mehr!

Der junge Mann will gerade etwas sagen, als eine ungeordnete Menschenmenge mit wütendem Geheul den Hügel hinabgestürmt kommt und seiner ansichtig wird. Der Gast des Schamanen springt auf und rennt um sein Leben, die Meute hinterher.

Der Schamane (tritt, nachdem sich der Staub gelegt hat, sinnend ins Zelt zurück): Furchtbar muß das sein, in Deutschland! Diese Wilden! Diese Unkultur!

Die Frau (ist vor das Zelt getreten und blickt der erregten Menschenmenge nach): Bloß gut, daß bei uns in Mbene die Welt noch in Ordnung ist!

 

ENDE

Cornelie Becker-Lamers, Weimar