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Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 18

Meine liebe verstorbene Freundin Esther von Kirchbach, eine heiligmässige Lutheranerin, uns im Glauben sehr nahe, tröstete mich im Krieg einmal mit der Geschichte von dem Mönch, der, während das Haus brennt, in seiner Zelle an der Initiale weitermalt, weil er zum Löschen zu schwach ist – immer wieder kommt mir das Bild jetzt.

Nur mit gewalttätigem „voluntaristischen“ Anlauf kann ich mich zwingen, an die diversen neuen Frühlinge in Kirche, Kultur etc – nein, „glauben“ wäre eine glatte Übertreibung, also: sie auch noch für möglich zu halten.. Aber doch mit dem Zusatz: Gott sei Dank, dass ich sie nicht mehr erlebe — diese Welt, deren ,,utopische“ Schilderungen mir als wahre Albdruck-Träume erscheinen, eine lemurische, des Humanen bare Welt voll zynischer Roboter. […]
Ich finde nicht, dass ich ein laudator acti temporis* bin – dazu bin ich viel zu skeptisch. Ich seh auch den Greuel und Horror der diversen Vergangenheiten. Aber ich kann nicht finden, dass der Teufel nun anders als durch Beelzebub zum Quadrat ausgetrieben wird. Und jene Greuel haben sich doch, scheint mir, innerhalb eines Rahmens “richtiger“ Normen abgespielt und gegen sie verstossen, während jetzt Greuel zur Norm wird und Greuliches ihre offizielle Ausführung. 
(14.3.1967)

*Eigentlich laudator temporis acti, ”Lobredner vergangener Zeit” (Horaz)

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 17

Denn wirklich: wir müssen der Kirche, unsrer Kirche, vieles echt und redlich verzeihen lernen, was sie uns in ihrer Zeitbedingtheit angetan hat. Wie man ja auch lernen muss, seinen Eltern zu verzeihen, indem man ihre Entwicklung, so gut es geht, nachtastend begreift. Vielleicht klingt das horrend eingebildet und überheblich, aber ich meine es nicht so. Ich finde ja, wie ich Ihnen am Samstag auch sagte, mit das Schlimmste unsrer gegenwärtigen Entwicklung ist die unendliche Erbitterung, mit der ganze Generationen heute der Kirche gegenüber stehen – mit dem Gefühl, betrogen, düpiert, an der Nase herumgeführt worden zu sein unter den höchsten und heiligsten Vorwänden – und sich nun fortwährend dafür rächen zu müssen.
Dem entgegen versuche ich, die Linie einer Entwicklung nachzutasten, die ich trotz aller Irrungen und Wirrungen als eine notwendige, in ihrem Grundzug unvermeidliche empfinde – die man innen und aussen überwinden muss, statt sie zu verachten und zu verspotten. Aber das geht doch nur OHNE Ressentiment*??

(14.3.1967)

*Offenbar hatte der mönchische Briefpartner einem unlängst übersandten Manuskript gegenüber den Vorwurf erhoben, es sei ‘ressentimentgeladen’, was I.F. Görres energisch und begründet bestreitet. Mich beschlich bei der (allerdings eben nur einseitigen) Lektüre der Briefe ohnehin immer mehr das Gefühl, P. Paulus Gordan könne die Görres nicht wirklich verstanden haben. Ihre offenbar erhebliche und andauernde Zuneigung ihm gegenüber erstaunt mich daher doch. 

Gereon Lamers 

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 16

In Amerika scheinen gerade Ordensleute jetzt in hellen Haufen zu gehen. Mich wundert das GARNICHT, die haben viel zu viele jugendliche Ordensberufe gehabt, genauer: Kinderberufe, glatt aus dem Pensionat oder College ins Noviziat, genau wie die Kinderverlobungen im Mittelalter. Und jetzt erwachen sie, ohne zu wissen wie, auf einmal im zwanzigsten Jahrhundert, wo sie doch im friedlichen behäbigen 19. seelisch eingetreten sind […] finden sich in einer Haut vor, die sie plötzlich nicht mehr als die eigene anerkennen können und die an allen Nähten platzt. Wo das wirklich NUR ,,Schale“ war, muss es ja abfallen. Wo sie das, was sie besitzen, neu erwerben können, ist’s gut.* Aber WIE schwierig. Und natürlich vibrieren gerade die Besten mit allen Antennen und eigenen Fasern vom Zeitgeist, – dem was dran Heiliger Geist ist und was die bösen ,,Geister der Luft“ sind, deren eigentlicher Raum […] ja auch der „Zeitgeist“ ist. […]

Ach, die Brücke, die Brücke bauen dürfen, die von gestern nach morgen führt – zuverlässig, so dass sie die Menschen wirklich trägt, die sie betreten, schwungweit genug, dass sie wirklich das andre Ufer berührt und dort verankert ist, nicht zaghaft in der Mitte abbricht!
(22.7.1966)

*Hier ist freilich darauf hinzuweisen, daß, mit offizieller kirchenamtlicher Unterstützung!, dieser Prozeß der Entfremdung durch die Entsendung von “Psychotherapethen” o.ä. de facto gefördert worden ist, wo es notwendig gewesen wäre, den Versuch der “Neu-Erwerbung” im geistlichen Sinne zu ermöglichen! (Vgl. auch das Zitat zu Tag 13)

Gereon Lamers 

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 15

Obschon ich meine, dass weder Barbaren noch sonst was von damals je einen so perniziösen Ruin-Prozess bewirkt oder eingeleitet haben wie die heutigen geistigen und seelischen Sprengstoffe, deren Wirkung ich ja noch weit mehr fürchte als Atombomben und selbst russische Occupation. Jeder Blick […] bestärkt mich darin… denn die Weise, wie die Dummen sich der besten Anregungen und Impulse bemächtigen und sie zur Karikatur ihrer selbst machen, enragiert mich natürlich besonders. ,,Die Dommen sind GEFÄHRLICH!!“ konnte meine feu Schwägerin Ida Roland mit rollendem Burgtheaterpathos ausstossen – und sie hat leider recht damit. Die Dommen SIND gefährlich und sie sind ja immer die erdrückende Überzahl.
Über Ihren unmutig-optimistischen Warnruf im Leitartikel habe ich mich doch etwas gewundert – nein, Stagnation ist das letzte, was ich jetzt in der Kirche befürchten würde. Ich habe im Gegenteil den Eindruck, dass die missverstandene, zum Deckmantel tausend kleiner Interessen um-interpretierte, von den Dommen“ verfälschte Reform geradezu wie ein Präriefeuer um sich greift und lustig daran ist, überall gerade die Trageschicht der venetianischen Pfähle aufzuweichen und auszufaulen.
(20.4.1966)

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 14

Das Empfinden der in Bewegung geratenen Lawine ist sogar noch verstärkt – vor allem das, dass überhaupt kein Mensch auch nur ahnen kann, was alles sie wegreissen und verschütten wird — und ob, was dann einmal – wir erleben es nicht mehr! – als neues Leben aus den Ruinen spriessen – wird, überhaupt wirklich die neue Phönixgestalt wird oder schlechthin etwas andres, ganz Fremdes, Nicht Identisches, das uns eigentlich gar nichts angeht. So bleibt man also doch auf dem Untergang sitzen, „einsam will ich untergehen usw.“* allerdings dies gerade weniger, denn der Untergang ist ja ziemlich kollektiv.
(21.1.1966)

*Vermutlich ist die gleichnamige Ballade von Clemens Brentano gemeint, hier zu lesen.

Gereon Lamers 

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 13

Zum Beispiel darüber, dass wir so blind und taub geworden sind, dass selbst im mexikanischen Urwald* das Ältest Gewohnte nur dann noch „ankommt“, wenn es in völlig verfremdender Camouflage dargeboten wird. Z.B. dass ausgerechnet Benediktiner! erst dann das Labora aus der eigenen Regel entdecken, und zwar als grösste und überraschende Neuigkeit, wenn es ihnen von einem nichtkatholischen Psychotherapeuten, pardon =in, vorgelegt wird. Vorher wird man es ja offenbar nicht einmal probiert haben, sonst hätte man ja doch sozusagen auf die Erfahrung stossen können. Und so vermutlich mit allen andern Punkten.
(3.10.1965)

 

*P. Paulus hatte der Görres ein “kurioses Mexikaner-Manuskript” zugesandt, vermutlich einen Bericht über Neuerungen innerhalb des Benediktiner-Ordens in Mexiko, offenkundig beraten durch “Psychotherapeuten”. Das schlicht verheerende “Wirken” derartiger Personen im Bereich des Ordenslebens in den benachbarten USA in diesen Jahren ist inzwischen durch Berichte von Zeitzeugen aufgedeckt geworden.

Gereon Lamers

Das Reservat (3/4) Ein Sketch zum Dritten Advent

Ein Sketch zum Dritten Advent für dreizehn Personen

Wundersdorf, Oderbruch. Wir erinnern uns: Man hat Stadt und Umland abgeriegelt und hier ein Reservat für Ungeimpfte – in Bezug auf welche Krankheit, mußte man seit Erschaffung des Begriffs noch nie dazusagen – angelegt. Täglich ziehen Menschen zu, die sich, obwohl mehrfach und kreuzgeimpft, wegen eines verpaßten Boostertermins wieder als Ungeimpfte deklarieren müssen.

Oder sagen sie etwa nur, sie hätten die Auffrischung verpaßt und haben in Wahrheit den Irrsinn mit der Zeit durchschaut? Schließlich könnten die Angebote zur Impfung niederschwelliger nicht sein, hat man doch nicht nur alle ungenutzten evangelischen Kirchen zu Impfzentren umgebaut, sondern mittlerweile auch Bäckereien und Stehcafés nach einer Wochenendschulung der Bäckereifachverkäuferinnen für die Auffrischungsimpfung fit gemacht. So können sich die Bürger hinsichtlich der mittlerweile empfohlenen täglichen Impfdosis beim morgendlichen Brötchenholen gleich mitversorgen, um einen ganzen Tag lang unbeschwert die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen zu dürfen. Wie bemerkenswert, wenn eine Regierung mit den Maßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie derart out of the box denkt! Zugleich wurden den Bürgern die Möglichkeit zu Zweifeln genommen, ob diese derart privilegierte Krankheit denn überhaupt noch als Pandemie anzusprechen sei – denn kritische Smartphone-Apps und Internetkanäle wurden für die Bundesrepublik gesperrt und aus den Playstores verbannt. Wie umsichtig auch dies!

Aber das geschieht ja alles draußen, außerhalb der Mauern unseres kleinen Städtchens Wundersdorf. Wie läuft das Leben im Innern?

Nun – mit den Ungeimpften wurden selbstverständlich auch jede Menge aufrechter Selberdenker in der Stadt angesiedelt, auch im kirchlichen Umfeld. Und so finden wir in der katholischen Pfarrei Maria Hilf! Wundersdorf nun seit einigen Wochen Pfarrer Finke aus der Magdeburger Börde. Unversehens hat der Ministrantenunterricht ungeahnten Aufschwung genommen und auch sonst scheint alles recht schnell wieder auf Kurs zu kommen. Da – sehen Sie? Da strömen die Kinder und Jugendlichen schon auf das Pfarramt zu. Heften wir uns an ihre Fersen und versuchen wir herauszufinden, wo es lang geht.

 

Reimer (liest von einer Spielkarte ab): Inzidenz 1615.

Michael (liest ebenfalls von einer Spielkarte, resigniert): 1258 (er reicht Reimer die Karte) Warum hast du eigentlich in jeder Runde Hildburghausen?

Reimer (grinst): Weil das so ist (Er steckt beide Karten unter seinen Stapel und liest von der nächsten) 49.576 Genesene.

Michael (grinst zufrieden): 54.913.

Reimer (reicht ihm die Karte): Mist! Bautzen Land?

Michael: Korrekt! (Er steckt zufrieden die Karten hinter den Stapel und liest): 28 Todesfälle.

Reimer: 40 (Er gibt ihm seine Karte).

Michael: 12 Intensivbetten.

Reimer: 14 (Er kassiert die Spielkarte).

Nina (dreht sich nach den beiden um): Jetzt steckt mal euer Quartett ein – wir sind da.

Michael und Reimer sehen gerade noch rechtzeitig von ihren Spielkarten auf, um nicht die Stufen zum Jugendraum hinter zu fallen und stecken rasch das Quartett in die Hosentasche. Drinnen angekommen, hängen die Jugendlichen ihre Jacken über die Garderobe und gesellen sich zu denen, die schon früher gekommen sind.

Jule (in einer Ecke, wischt sich die Tränen ab): Das war richtig scheiße!

Carola (legt ihr den Arm um die Schulter und blickt sie eindringlich an): Das nächste Mal, wenn deine Tante von draußen kommt, sagst du ihr, sich impfen zu lassen hätte so viel mit Solidarität zu tun wie die Impfung selber mit einem Schutz vor eigener Ansteckung. Oder der Weitergabe des Virus.

Jule (verzweifelt): Ich hasse das! Ich bin kerngesund, mir fehlt nichts!

Carola: „Gesund“ gibt’s nicht mehr. Das war mal.

Kalle: Es gibt nur noch gesund geworden. Und nur amtlich bestätigt.

Teresa (schaltet sich ein): Und ‚fehlen‘ tut uns allen die Impfung …

Daniela (philosophisch): … als imaginäres Defizit.

Lenni: Hä?

Pfarrer Finke (betritt den Raum und sammelt die Jugendlichen um den Tisch): Gelobt sei Jesus Christus!

Die Jugendlichen: In Ewigkeit, Amen; Guten Abend, Herr Pfarrer. (Sie sprechen gemeinsam ein Vater unser und setzen sich im Kreis.)

Pfarrer Finke (begrüßt daraufhin eines der Kinder): Ach! Freddy! Schön, daß du wieder hier bist! (zu allen) Ihr wißt noch, was wir heute vorbereiten wollten?

Die Jugendlichen (nicken – durcheinander): das Weihwasser zurückbringen – mit der Reinigung das – die Weihwasserbecken befüllen – lernen wegen dem Asperges – die Sakramente –Sakramentalien! – Wasser und Taufe …

Pfarrer Finke (lächelt): Na, da kommt ja schon sehr viel. Reimer – hast du deine Aufgabe erledigt?

Reimer (stutzt, greift in die Hosentasche und zieht eine Quartettkarte heraus) Also … Oh! Falsche Seite (er grinst verlegen und holt aus der anderen Hosentasche einen gefalteten DIN A4-Bogen; die anderen kichern) Das war ein Artikel in der „Welt“ – ist das in Ordnung?

Pfarrer Finke: Das ist in Ordnung, ja.

Reimer: „Ärzte empfehlen Salzwasser als Mittel gegen Viren“ hieß der.

Pfarrer Finke: Faß den Artikel bitte mal zusammen.

Reimer: Also die Ärzte empfehlen zum Schutz vor Viren in der Grippesaison das Gurgeln mit Salzwasserlösung. Drei Teelöffel Salz auf einen Liter Wasser. (Er liest einige Passagen aus dem Artikel vor.) Das ist aber eher um selber weniger zu spreaden. Also wär was für den Chor …?

Pfarrer Finke: Richtig! Viren mögen kein Salz auf den Schleimhäuten. Vielen Dank, Reimer. Sehr guter Hinweis, daß das für unseren Kirchenchor interessant sein könnte! – Darum kümmere ich mich. Teresa – wie sieht es mit der Wortbedeutung aus?

Teresa: „Virus“ ist lateinisch und heißt zähe Flüssigkeit, Schleim … dann auch Gift.

Pfarrer Finke: Danke – genau: schleimige Flüssigkeit. Wer wollte sich um die Hintergründe zum Thema Viren und Salzwasser kümmern?

Carola: Ich! (Sie schlägt einen DIN A4-Block auf) Es ist so: Bakterien stehen mit Salzwasser auf Kriegsfuß wegen der Osmose. Genauer wegen der Diffusion durch eine semipermeable Membran. (Kalle stöhnt.) Es ist ganz einfach. Wenn der Salzgehalt in der Umgebung zu hoch wird, entzieht er dem Bakterium die Flüssigkeit. Also, es trocknet aus. Bei Viren sieht es mit diesbezüglichen Studien ziemlich mau aus … also da ist es nicht so eindeutig, aber manche Typen vertragen Salzwasser wohl schlecht, und zwar die Gruppe der unbehüllten Viren. Aber Corona ist ein behülltes – mit Lipidhülle … Aber es sind weltweit keine Infektionen bekannt geworden, die auf Weihwasserbecken zurückgehen. Viren können sich ja halt auch nicht allein vermehren – anders als Bakterien. Also jetzt wegen der Viruslast …

Pfarrer Finke: Sehr schön Carola, vielen Dank! Ja – das ist alles sehr aufschlußreich!

Kalle (flüstert): Damit solltest du gleich deine Epochalnote in Bio aufbessern!

Carola (flüstert zurück): Die kann ich nicht aufbessern, ich steh schon auf ‘ner Eins.

Pfarrer Finke: Jule – was hast du über Weihwasser herausgefunden?

Jule (tippt kurz auf ihr Smartphone und liest dann vor): Ich hatte jetzt erstmal bei wikipedia geschaut … (Sie blickt den Pfarrer fragend an; der nickt): „Weihwasser ist ein Segenszeichen. In der katholischen Kirche, den orthodoxen Kirchen und der anglikanischen Kirche dient es neben der Taufe zum Taufgedächtnis und zur Segnung. Weihwasser ist Wasser, über das (meist von einem Priester) ein Segensgebet gesprochen wurde. Vor der Liturgiereform wurde dem Wasser bei der Weihe Salz und Chrisam hinzugefügt, heute kann ihm Salz hinzugefügt werden. Weihwasser gehört zu den Sakramentalien (heilswirksamen Zeichen) der Kirche.“ Vor der Liturgiereform wurde das Weihwasser außerdem jede Woche ausgetauscht.

Pfarrer Finke: Sehr schön! Vielen Dank! Wer hatte noch was zu den Desinfektionsmitteln?

Mirko: Das war ich. (Er zieht einen Zettel aus der Tasche.) Das ist ziemlich heftig. Es gibt Desinfektionsmittel, die überhaupt nicht gegen Viren helfen, aber die Bakterien abtöten und dann für Pilze Platz machen … auf der Haut zum Beispiel. Gegen Viren hilft Wasserstoffperoxid oder 70%iger Alkohol. (Die Jugendlichen fangen an zu lachen.) Ja – echt schlecht für die Haut … 

Michael: … und auch sonst … öööööh! (Er markiert einen Taumelnden.)

Mirko: Was ich noch gefunden habe: Gefäße! Silber oder Kupfer. Die geben nämlich Ionen ab und desinfizieren dadurch auch. Das ist schon seit der Antike bekannt.

Teresa: Kupferschalen! Davon haben wir doch letztes Mal auf dem Dachboden einen Schwung gefunden!

Pfarrer Finke: Ganz genau. Teresa – noch schöner wäre es, du würdest dich melden – aber es ist schon richtig: Jetzt wißt ihr, warum ich  mich letzte Woche so gefreut habe, als wir den Dachboden inspiziert und etliche alte Kupferschalen gefunden haben. Aber ich möchte mit euch noch einmal einen Schritt zurück: Ihr habt so vieles zusammengetragen: Wie können wir vor diesem Hintergrund das Verbot des Weihwassers bewerten?

Die Jugendlichen (schauen sich an; durcheinander): Eigentlich quatsch! – Sollte möglich sein, Weihwasser!

Pfarrer Finke: Meldet euch bitte (schaut in die Runde) Nina!

Nina: Weihwasser sollte wegen seines Salzgehaltes nicht zu gefährlich sein. Oder in einer Kupferschale.

Pfarrer Finke (nickt): Mhm – Karl?

Kalle: Jedenfalls sollte man genau abwägen, bevor man ein so zentrales Symbol außer Kraft setzt.

Pfarrer Finke: Sehr gut! Ganz wichtig! – Elias?

Elias: Vor allem ist es ja auch keine Pflicht, sich mit dem Weihwasser zu bekreuzigen. Wer Angst hat, kann es ja weglassen. Aber deswegen muß man es ja nicht für alle verbieten.

Freddy: Ich hab auch mal – da waren wir …

Pfarrer Finke: Wollten wir uns nicht melden, Freddy?

Freddy (meldet sich): … das hab ich mal im Urlaub gesehen in Österreich letztes Jahr, als wir noch raus durften, da stand in einer Kirche ein Desinfektionsmittelspender und daneben einer für Weihwasser. Das geht ja auch.

Weihwasserspender für den ganz hygienischen Segen, gesehen am 2. August 2020 in Selzthal/ Steiermark (Handyfoto von Freddy Falkner)

Pfarrer Finke: Das geht auch. Aber ich glaube, es ist gar nicht nötig, wenn wir das Weihwasser korrekt weihen, eine Kupferschale nutzen und es regelmäßig austauschen. Wollen wir das jetzt machen?

Die Jugendlichen (durcheinander): Ja klar! – Wird Zeit! – Endlich! (Sie ziehen ihre Jacken wieder an, bevor alle gemeinsam zur Sakristei hinüber gehen.)

Mirko: Und wann lernen wir das mit dem Asperges?

Pfarrer Finke: Das erzähle ich euch dann in der Kirche. Ich hab drüben in der Sakristei dazu auch noch ein schönes Büchlein für jeden von euch.

Und hier das Geschenk, das Pfarrer Finke für alle Ministrantinnen und Ministranten bereithält (Fotos Teresa Langenfeld)

Und hier das Geschenk, das Pfarrer Finke für alle Ministrantinnen und Ministranten bereithält (Foto Teresa Langenfeld)

 

Fortsetzung folgt

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Eieieieieieiei! – Tja! So geht’s zu in Wundersdorf! Bloß gut, daß in Weimar wie im gesamten Bistum Erfurt die Priester auf Anordnung des Generalvikars so vorsichtig und so vernünftig sind, daß die Weihwasserbecken jetzt schon rund 650 Tage ausgetrocknet sind und keine geistliche Reinigung und keinen Segen mehr spenden …

Weihwasserspender für den ganz hygienischen Segen, gesehen am 2. November 2021 in Ferrara/ Emilia Romagna (eigenes Bild)

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 12

Ostern war schwer erträglich – die Feiern eben grad nur zu ertragen ohne Mitfreude. – Ich bin übrigens gar nicht so versessen darauf, dass wir so vehement Magie von unserm Pfad entfernen – im Gegenteil – wir haben sie m.E. schon viel zu sehr abgebaut und ausgelöscht – d.h. was viele Magie nennen, das Verhältnis zum wirklich Geheimnisvollen, wir verlieren m. E. dadurch die Erdwurzel unsres Glaubens immer mehr, entbluten ihn zur puren Abstraktion plus Ethik – und nun sollen die Protestanten auch bei uns nicht mehr finden, was ihnen mehr oder weniger bewusst doch wirklich fehlt – ?
(23.4.1965)

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 11

War es aber nicht ,,Sein Leib“, sondern wesentlich elende Menschenfiktion, usurpierend an Seine Stelle gesetzt – ? was dann? Für mich wäre das wirklich ein Ende. Ich kann da nicht weiter. – Das macht ja auch jedes Gespräch um Einzelheiten irgendwie illusorisch. Wie gleichgültig, dies oder jenes Jota zu retten oder zu verbessern oder frisch aufzupolieren, wenn doch in Wirklichkeit die Axt an die Wurzel gesetzt ist. Das ist ja bloss, als wollte man vor der Hinrichtung sich damit ablenken, dass man am Kleid noch Knöpfe annäht oder Verzierungen abschneidet.
[…] Vielleicht gibt es auch gar keine beschwichtigende ,,Antwort“ und es lässt sich so wenig ausweichen wie dem Sterben. Wenn es die Kirche – meine Kirche, von der ich ein Teil bin, mit der ich mich identifiziere – wäre, die da in einer Gestalt stirbt, auf eine unbekannte Auferstehung hin […], dann „macht es mir nichts“, das kann man natürlich gut aushalten.
– Aber wenn das, was stirbt, nicht einmal die Kirche gewesen sein soll, sondern eine hässliche, verunglückte Fiktion davon – nein, das ist mir zuviel. Ich weiss natürlich, niemand spricht das so direkt und vierkant aus, dass man den Finger drauflegen könnte – aber es steckt in tausend Implikationen, die sich sehr wohl zu dieser These summieren. Nur dass vermutlich sehr wenige Leute diese Addition bewusst wagen; sie assimilieren sie nur durch Osmose, durch alle Poren, ins Unbewusste hinein, das dann beizeiten schon auch das Bewusste so durchdringen wird, dass es die praktischen Konsequenzen ziehen wird. –
(23.2.1965)

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 10

Einerseits hat man zeitlebens auch gelernt und geübt, gegen Hoffnung zu hoffen, gegen jede Einsprache des Intellekts zu glauben – an die “Richtigkeit“ des von der Kirche Gelehrten, auch dort, wo man intellektuell “nicht nachkommt“, die Fäden nicht nachzeichnen kann – Glauben eben „aus Prinzip“, von vornherein, aus Entscheidung dafür, nicht als Resultat von Untersuchung und Schlussfolgerungen. Nun sieht man, wie eben jene Untersuchungen und Schlussfolgerungen, welche das Ganze“ zersetzen und auflösen müssen (in der Exegese zb!), so dass grad noch ein schäbiger und zum Teil fiktiver Rest sich nur durch prolongierte Rückzugsgefechte hält – auf wie lang?? – sozusagen von oben sanktioniert werden. Das alles ist sehr erschöpfend.
    Ich weiss, die Kirche ist der Phönix. Sie ist schon manche Tode gestorben. Aber durch Selbstmord? gibt es davon Auferstehung?? Wenn es so ist, möchte ich wirklich lieber nicht mehr leben. Ich kann mich nicht so – ruchlos von der ganzen Vergangenheit trennen wollen, sie als Gewebe von Fehlentwicklungen über Bord werfen wollen, von Täuschungen und Fehlinterpretationen der Botschaft. Ich glaube, dass auch die vergangene Kirche, die Kirche der Vergangenheit ,,Leib“, Inkarnation der Botschaft und damit der Präsenz Christi auf Erden war nicht ein einziges Missgebilde von Krüppelei, Wucherungen, Deformationen, das man jetzt möglichst schnell und gründlich loswerden muss. – Ich kann einfach nicht glauben, dass der Herr sich derart „fehlinkarniert“ hat, so sehr ich stets die Kirche als Seinen Schmerzensleib und Seine Knechtsgestalt gesehen habe. Aber doch als Seine-.
(23.2.1965)