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Der #KatholischeDichtungamDonnerstag-Adventskalender, Tag 19

Fern im Osten wird es helle,
Graue Zeiten werden jung;
Aus der lichten Farbenquelle
Einen langen tiefen Trunk!
Alter Sehnsucht heilige Gewährung,
Süße Lieb in göttlicher Verklärung!

Endlich kommt zur Erde nieder
Aller Himmel selges Kind,
Schaffend im Gesang weht wieder
Um die Erde Lebenswind,
Weht zu neuen ewig lichten Flammen
Längst verstiebte Funken hier zusammen.

Überall entspringt aus Grüften
Neues Leben, neues Blut;
Ewgen Frieden uns zu stiften,
Taucht er in die Lebensflut;
Steht mit vollen Händen in der Mitte,
Liebevoll gewärtig jeder Bitte,

Lasse seine milden Blicke
Tief in deine Seele gehn,
Und von seinem ewgen Glücke
Sollst du dich ergriffen sehn.
Alle Herzen, Geister und die Sinnen
Werden einen neuen Tanz beginnen.

Greife dreist nach seinen Händen,
Präge dir sein Antlitz ein,
Mußt dich immer nach ihm wenden,
Blüte nach dem Sonnenschein;
Wirst du nur das ganze Herz ihm zeigen,
Bleibt er wie ein treues Weib dir eigen.

Unser ist sie nun geworden,
Gottheit, die uns oft erschreckt,
Hat im Süden und im Norden
Himmelskeime rasch geweckt,
Und so laßt im vollen Gottes-Garten,
Treu uns jede Knosp und Blüte warten.

Novalis, Geistliche Lieder II

Getwittert von Nota bene, @notate_bene am 9.12.2021

Der #KatholischeDichtungamDonnerstag-Adventskalender, Tag 18

Decke mich denn am Ende
Mit Weiden und weißem Klee,
Rosen als letzte Spende
Tun meinem Herzen weh.

Lilien als letzte Gabe
Sind nur der Jungfrauen Gut,
Über dem armen Grabe
Singen Vögel bei ihrer Brut.

Weiden und brütende Meisen
Über dem Hügel zur stillen Zeit –
Und ich darf lächelnd reisen
In die tiefste Verborgenheit.

Ruth Schaumann, Die Kleine Bitte

Getwittert von Gereon Lamers, @GGLamers am 6.5.2021

Der Buch-Geschenktip zum Adventskalender, Nr. 3

… erscheint erneut erst heute am Sonntag, was Sie mir hoffentlich nachsehen wollen. 😉

Unser heutiges Buch ist bestimmt das originellste unter den drei Vorschlägen und, wobei die Psalmen natürlich außer Konkurrenz laufen, auch das schönste.

Es handelt sich um:

Eleanor Parker, Winters in the World: A Journey Through the Anglo-Saxon Year
Reaktion Books, London 2022, gebunden 18,70 €
ISBN-13: ‎ 978-1789147735

So sieht es aus:

E. Parker, Winters in the World (eigenes Bild)

“Winters in the world”, so nannte man unter den Angelsachsen die Lebensjahre eines Menschen, bezeichnenderweise nach der ernstesten Jahreszeit, und die Autorin nimmt diesen Ausdruck als Titel ihres Werkes, und um ihre “Reise durch das Jahr“ dann auch mit dem Winter zu beginnen.  

Nur, warum sich überhaupt mit dem ‘Jahr der Angelsachsen’ beschäftigen?
Ehrlich gesagt, die Antwort fällt gar nicht so leicht! 

Am einfachsten ist es noch, einen Nebenaspekt zu fassen zu kriegen, wenn der auch für katholische Leser nicht unerheblich ist: Es war gerade die frühmittelalterliche, angelsächsische Literatur, die J.R.R. Tolkien zu seinen Werken inspiriert hat! Allen Dichtungen voran natürlich das Beowulf-Liedaus dem auch E. Parker ausführlich zitiert, und so den Tolkienschen Kosmos immer wieder aufscheinen läßt.
Denn so funktioniert das Buch: Verschiedene altenglische Texte werden im Original vorgestellt (und in neu-englischer Übersetzung, natürlich) und auf ihre Relevanz für das, was darin zum Ausdruck kommt, über das Zeit-Gefühl überhaupt und über die jeweilige Jahres-Zeit befragt. 

Dabei kommt es zu einem intensiven Ineinander von agrarischer, poetisch erlebter und, natürlich ganz wesentlich, liturgischer Zeit. 

Das Ergebnis ist, wie gesagt, gar nicht einfach zu schildern. Aber es ist absolut nicht trocken oder akademisch (obwohl Parker sehr ordentlich mit wissenschaftlichen Nachweisen arbeitet!)! Im Gegenteil, es stellte sich bei mir ein Lese-Erlebnis ein, das man gar nicht so oft hat und gar nicht hoch genug schätzen kann: Jedesmal, wenn ich das Buch aus der Hand lege, fühle ich Ruhe und Freude. Es ist im allerbesten Sinne ein Buch, das gute Laune macht.
Wehmut bereitet es freilich auch, wenn es wieder und wieder heißt: ‘Der fragliche Brauch war bis in die XXiger Jahre des 20. Jahrhunderts präsent, bevor er durch “Reform” XY zum Erliegen kam.  🙁 

Die Autorin hält sich dabei allerdings mit Wertungen stets vornehm zurück, ihr gelingt eine wirklich überaus angenehm ruhige und zurückhaltende Prosa, der man sozusagen ihre zweifellos vorhandene Begeisterung für den Gegenstand vor allem dann anmerkt, wenn man schon begonnen hat, dieselbe zu teilen!
Erwähnenswert noch, daß Frau Parker was Fragen der christlichen Chronologie und Festentstehung angeht, auf dem neuesten Stand ist, Albernheiten, wie das scheinbar nicht auszurottende Gerücht vom heidnischen Ursprung der Weihnacht beispielsweise braucht man bei ihr nicht zu gewärtigen… 

Hingegen bringt sie eine für mich jedenfalls neue und wirklich sehr interessante Theorie zum Ursprung des Wortes “Ostern”; die Spur führt nach England, genauer nach Kent (S. 124 -27, bes. S. 125), aber ich verrate nichts, denn ich möchte ja wirklich, daß Sie das Buch kaufen. 😉

Sehr, sehr gerne läse man solch ein Buch auch über die nämliche Zeit in Deutschland (bzw. den Gegenden, die dann Deutschland werden sollten), aber so ein Buch kenne ich leider nicht. Es hilft aber sehr, wenn man versucht, sich die altenglischen Texte laut vorzulesen, denn dann merkt man, das ist nichts uns völlig fremdes, nein, das ist eben die Sprache eines “germanischen Sammelvolks” (vor der Überformung durch das Französische nach der normannischen Invasion) und zu der haben wir natürlich als Deutsche einen sprachgeschichtlich bedingten Zugang. 

So bin ich sicher, Sie werden die Anschaffung, bzw. das Verschenken dieses Buchs nicht bedauern, falls Sie, oder die zu beschenkende Person, irgendeinen Sinn für das haben, was ich gerade versucht habe zu schildern. Es gibt inzwischen auch eine Taschenbuchausgabe, die aber nur etwas fünf Euro preiswerter ist, ich würde das Hardcover empfehlen. Nur “ganz leise” und im Grunde ungern füge ich hinzu: Der örtliche Buchhandel, den es sonst immer zu stärken gilt!, ist nach meiner Erfahrung in der Beschaffung fremdsprachiger Literatur immer mal wieder etwas umständlich und vor allem langsam, daher bietet sich hier vielleicht doch der elektronische Versandhandel an, vor allem, wenn man bedenkt, Weihnachten ist schon nächsten Sonntag! 

Gereon Lamers 

 

Der #KatholischeDichtungamDonnerstag-Adventskalender, Tag 17

Es geht ein Geist der Liebe
Im Weltenall umher,
Er segnet reine Liebe
Mit Freude, Glück und Ehr.

Der große Geist der Liebe
Sieht jeden stillen Schmerz,
Er nimmt in seine Liebe
Ein jedes treue Herz.

Der ernste Geist der Liebe
Bewacht ein jedes Band;
Sei rein in deiner Liebe!
Du stehst in heil’ger Hand.

Heinrich Bone, Der Geist der Liebe

Getwittert von Herr(n) Rasmus, @herr_rasmus am 27. 5.2021

Der #KatholischeDichtungamDonnerstag-Adventskalender, Tag 16

Nicht zu der Sonne frühen Reise,
Nicht wenn die Abendwolken landen,
Euch Kindern, weder laut noch leise,
Ja, kaum uns selber sei’s gestanden,
Auf welch geheimnisvolle Weise
Dem Leben wir den Traum entwanden
Und ihn mit Weingewinden leise
An unsres Gartens Brunnen banden.

Hugo v. Hofmannsthal, “Dichter sprechen”

Getwittert von Gereon Lamers, @GGLamers am 10.6.2021

Der #KatholischeDichtungamDonnerstag-Adventskalender, Tag 15

Die Kirche will gehäutet sein?
Ich sehe nur:Man läutet ein
des synodalen Weges Schisma
als Aortenaneurisma,
das die Kirche dort zerreißt,
wo sie zu Recht noch Kirche heißt.

Cornelie Becker-Lamers, Gelegenheitsgedicht

Getwittert von C Becker-Lamers, @Jucobela am 16.9.2021

Der #KatholischeDichtungamDonnerstag-Adventskalender, Tag 14

Allein den Betern kann es noch gelingen
Das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten
Und diese Welt den richtenden Gewalten
Durch ein geheiligt Leben abzuringen.

Denn Täter werden nie den Himmel zwingen:
Was sie vereinen, wird sich wieder spalten,
Was sie erneuern, über Nacht veralten,
Und was sie stiften, Not und Unheil bringen.

Jetzt ist die Zeit, da sich das Heil verbirgt,
Und Menschenhochmut auf dem Markte feiert,
Indes im Dom die Beter sich verhüllen,

Bis Gott aus unsern Opfern Segen wirkt
Und in den Tiefen, die kein Aug’ entschleiert,
Die trockenen Brunnen sich mit Leben füllen.

Reinhold Schneider

Getwittert von A G N E S, @MsViridiVestis am 25.2.2021

Der #KatholischeDichtungamDonnerstag-Adventskalender, Tag 13

Kaiserkrone und Päonien rot,
die müssen verzaubert sein,
denn Vater und Mutter sind lange tot,
was blühn sie hier so allein?

Der Springbrunnen plaudert noch immerfort
von der alten schönen Zeit,
eine Frau sitzt eingeschlafen dort,
ihre Locken bedecken ihr Kleid.

Sie hat eine Laute in der Hand,
als ob sie im Schlafe spricht,
mir ist, als hätte ich sie sonst gekannt -still geh vorbei und weck sie nicht!

Und wenn es dunkelt das Tal entlang,
streift sie die Saiten sacht,
da gibt′s einen wunderbaren Klang
durch den Garten die ganze Nacht.

Joseph von Eichendorff, Der alte Garten

Getwittert von Nota bene, @notate_bene am 18.3.2021

Der #KatholischeDichtungamDonnerstag-Adventskalender, Tag 12

Und ein Engel hielt sein Kleid
Sich im Schoß zu offnen Falten,
Mich darinnen zu erhalten
Aus der Hand der hohen Zeit.

Und ein zweiter blies das Rohr
Einer silbergrauen Flöte,
Bis ihr Klang wie Abendröte
Sich zum Horn der Nacht verlor.

Und der dritte las im Buch
Jeder armen Menschenreise,
saß vertieft und blickte weise
Zu des Himmels blauem Tuch.

Und ich sang mein Herz hinaus,
Vogelhaft auf Engelknien,
Ward ergriffen und verliehen
Deiner Tage Vogelhaus.

Ruth Schaumann, Zelt der Engel

Getwitert von Gereon Lamers, @GGLamers am 19.8.2021

Der #KatholischeDichtungamDonnerstag-Adventskalender, Tag 11

Got, dîner Trinitâte,
die ie beslozzen hâte
dîn fürgedanc mit râte,
der jehen wir, mit drîunge
diu drîe ist ein einunge,

Ein got der hôhe hêre;
sîn ie selbwesende êre
verendet niemer mêre.
nu sende uns dîne lêre.
uns hât verleitet sêre
die sinne ûf mange sünde
der fürste ûz helle abgründe.

(Gott, von deiner Trinität, die von je dein Vorausdenken weise vereinigt hatte, bekennen wir: die Drei ist mit der Dreiheit eine Einheit,

Ein Gott, der hohe Heilige; seine von je durch sich selbst seiende Ehre nimmt nimmermehr ein Ende. Nun schick uns deine Unterweisung! Unsern Geist hat der Fürst aus dem Höllenabgrund zu mancher Sünde schmerzlich irregeführt)

Walter von der Vogelweide, Der Leich 3.1-8,3

Getwittert von Agnes, @MsViridiVestis am 25.3. 2021