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Der Adventskalender von Konversionen, Tag 24, Anna Diouf

Anna Bineta Diouf, geboren am 28. April 19(Sängerin), in die Kirche aufgenommen am 8. April 2012

Für unsere besonders liebe Freundin Anna Diouf hat sich in diesem Jahr ein Kreis geschlossen (vorläufig, zumindest), denn sie ist im Zuge ihrer beruflichen Umorientierung in ihre Geburtsstadt Köln gezogen.
Aufgewachsen ist sie aber in Düsseldorf und dort wird auch die Geschichte spielen, die sie uns für diesen Adventskalender aufgeschrieben hat. Ich habe Ihnen am 30. November eine wahrhaftige Weihnachtsgeschichte versprochen – und das ist sie auch! 

Anna Diouf (Bild: © Thomas Esser)

Von Düsseldorf aus führte Annas Weg sie zum höchst erfolgreichen Gesangsstudium (Mezzosopran war ihr Fach) nach Hannover und dann sehr früh schon in erste Engagements. Zuletzt war sie Ensemblemitglied am Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg. Dort wurde sie zum Fan des Erzgebirges und wir haben von dort mit ihr zusammen spannende ‚Katholische Exkursionen‘ gestartet

Parallel dazu verstärkte sich jedoch das publizistische Engagement aus ihrem Glauben heraus immer mehr. Wir haben auch Anna ursprünglich über Twitter kennengelernt und wer dort ist, sollte unbedingt @Anne_de_Cologne folgen!
Schon seit 2018 Gastautorin der Tagespost wechselte sie schließlich in diesem Jahr von der Bühne ins Studio und in die Schreibstube, als Redakteurin und Moderatorin beim katholischen Fernsehsender EWTN. (Freilich, wer Sängerinnen kennt, als Konzertsängerin und Gesangspädagogin ist sie auch weiterhin tätig!). 

Aber jetzt genießen sie den:

Konversionsbericht Anna Diouf

Es war Weihnachten, und wie jedes Jahr ein Drahtseilakt. Eine Familie, die Kirche haßt, und eine Tochter, die Kirche liebt, das läßt sich nicht leicht unter einen Hut bringen. Das Fest der Geburt des Herrn und das Tannenbaum-und-bitte-bloß-nicht- streiten-Fest, sie fanden nur zufällig am gleichen Datum statt, ansonsten hatten sie nichts miteinander zu tun. 

Dieses Jahr aber hatte ich es dicht getaktet: 16.00 Uhr Christvesper in der evangelischen Hauptkirche. Danach Abendessen mit der Familie. Und dann die Christnacht in meiner katholischen Lieblingskirche. Alle sollten zufrieden sein, an diesem Heiligabend: Meine Familie, mein Herz und meine Seele. Warum eigentlich eine katholische Christnacht? Ich war doch als Jugendliche stramm evangelisch! Keine Gelegenheit hatte ich ausgelassen, meine Herablassung und Überlegenheit gegenüber Katholiken und ihrem papistischen Aberglauben zum Ausdruck zu bringen. Dass Katholiken einem atavistischen, dümmlichen, unbiblischen Glauben anhingen, war glasklar. 

Doch langsam bröckelte die Selbstsicherheit: Zuerst über „hochkirchliche“ Bestrebungen, die verloren gegangene Liturgie wiederzubeleben: In evangelischen Gruppen hatte ich gelernt, das Stundengebet zu singen, in deutscher Gregorianik, versteht sich. Ich hatte Weihrauch und Alben schätzen gelernt. Mein tiefes Verständnis für Form, die den Inhalt sichtbar macht und für die Legitimität und Schönheit des Rituals hatte ich weitgehend mit meinem evangelischen Bekenntnis in Einklang gebracht: Den Fehler hatten doch die Calvinisten gemacht, die Unierten, die Pietisten! Sie hatten die Katholizität des Glaubens aufgegeben. Das war niemals Luthers Plan gewesen. Die Sehnsucht nach Ganzheitlichkeit, die mich womöglich schnell und schmerzlos in die Arme der katholischen Kirche getrieben hätte, war zumindest vorerst gestillt: Ich hatte Weihrauch, ich hatte Gewänder, Gesänge, Kreuzzeichen und Bilder. Was will man mehr! Ein geschickter Schachzug des Unterteufels, der dazu beauftragt war, meine Seele einzufangen. Von der Kirche ferngehalten mit den Mitteln der Kirche! Was für ein Coup!

In meiner Seele nagte irgendwo die Gewissheit, daß das nicht alles sein konnte. Zu viel Show. Zu viel Beliebigkeit. Man konnte sich mit „Liturgiebausteinen“ eine wunderschöne „lutherische Messe“ bauen, aber es blieben eben „Bausteine“, die wir nach unserem Gusto zusammenfügen konnten. Das war keine Liturgie, sondern ein menschliches Puzzlespiel. Das war es, was mich in die katholische Messe zog: Die Liturgie war zwingend! Sie war nicht zusammengebaut, sondern gewoben. Man konnte nicht ein Teilchen durch ein anderes ersetzen. Man mußte der Liturgie gehorchen, nicht andersherum. 

Und da war noch etwas. Die Hütte Gottes unter den Menschen: Der Tabernakel. Ja, wir echten Lutheraner, wir waren von der Realpräsenz überzeugt. Luther hatte den Begriff der Transsubstantiation abgelehnt, weil er die Hybris des Menschen ablehnte, dieses Mysterium begreifen zu können – so oder so ähnlich hatte ich es gelernt und verinnerlicht. Aber ich dachte auch: Wenn er lediglich die Unsicherheit der menschlichen Erkenntnis hatte festhalten wollen, war es dann nicht hochgefährlich, was ein Küster tat, den ich einmal im Vorbeigehen dabei beobachtete, wie er potentielles Blut Christi im Ausguß wegspülte, um den Kelch zu reinigen? Für Katholiken undenkbar. Der Leib Christi wohnte unter ihnen, und in seiner Präsenz musste ich Menschwerdung dieses Leibes feiern. 

Dabei mochte ich die barocke Form der Kirche, die ich ausgewählt hatte, überhaupt nicht. Ich mochte nicht die schwarz-weißen Schachbrettkacheln auf dem Boden, und ganz sicher war das allerhäßlichste Gnadenbild der Welt (eine anämische Jungfrau Maria mit latent habsburgischen Gesichtszügen und einer aufsehenerregenden Schleife auf dem Kleid) nicht nach meinem Geschmack. Aber ich fühlte mich eben wohl hier! 

Um 16.03 Uhr kam ich atemlos in der evangelischen Kirche an. Eine große Kirche, die mangels Gläubiger zur Hälfte in ein Café umgebaut worden war. Große Glastüren trennten den Gottesdienstraum davon ab. Mit mir standen noch einige Leute vor diesen Glastüren, auch ein paar Familien mit Kindern. Der Küster verwehrte uns den Eintritt: Die Kirche sei voll, Brandschutz. Ein Blick hinein zeigte, dass lediglich alle Sitzplätze besetzt waren. Es war noch massig Platz für Menschen, die gewillt waren, zu stehen. Als sich der Küster kurz abwandte, ging eine hagere, resolute Frau einfach hinein. Er hastete hinterher, packte sie am Arm und führte sie heraus. Wutschnaubend verließ sie die Kirche. Auf meine Bitte, uns hineinzulassen, sagte er mit Hinweis auf die zwei weiteren Christvespern an diesem Abend: „Sie können doch später wiederkommen“. Nein, dachte ich, plötzlich wütend. Das kann ich eben nicht. Ich muss meiner Familie gerecht werden, ich habe mühsam austariert, wie ich ihre, meine und Gottes Bedürfnisse in Einklang bringen kann. Ich kann nicht frei über meine Zeit verfügen, und ich kann nicht in einer oder zwei Stunden wiederkommen! Durch die Glastüren hörten wir gedämpft die erste Kantate des Weihnachtsoratoriums. Die Türen aufmachen, und dadurch das Kirchencafé für Gottesdienst zurückgewinnen? Undenkbar! Enttäuscht ging ich hinaus. An der Ecke stand eine rauchende Frau. Es war dieselbe, die aus dem Kirchenraum hinausgeworfen worden war. Sie erkannte mich und begann zu fluchen. Pfarrerswitwe sei sie. Ihr Mann habe so-und-so lang für diese Kirche gearbeitet, und nun das. Sie warf den Glimmstengel auf den Boden und zündete sich den nächsten an. Ich murmelte einige verständnisvolle Worte und ging meines Weges. 

In der Nacht ging ich in die katholische Kirche. Sie war nicht nur voll, sie war überfüllt. Ich fand kaum ein paar Zentimeter Platz zum Stehen. Die Gesangbücher waren schon lang verteilt, ein Mann neben mir hatte eins ergattert, und mit einer weiteren Frau schauten wir also nun zu dritt in ein Buch. Der Pater stellte sich vor die Krippe. Die Predigt war eine Ansprache, direkt an das Jesuskind gerichtet. Er hieß ihn willkommen, in der Welt, und in unseren Herzen. Die Kirche war erleuchtet von Kerzenlicht und vom Licht Christi, erwärmt nicht von der Masse der Menschen, sondern von Seiner Liebe. Trotz der Geschäftigkeit und des Geräuschpegels herrschte eine tiefe, friedvolle Andacht. Nichts von der professionellen Sterilität des verbürgerlichten „Gottesdienstes“ am Nachmittag. Heilige Nacht! 

Nach der Messe ging ich hinaus und machte mich auf den Heimweg. Plötzlich blieb ich stehen, mit voller Wucht von einem Gedanken getroffen. „Unsere Türen stehen allen offen“, hatte die evangelische Kirche in meiner Wahrnehmung immer von sich gesagt. „Zu uns kann jeder kommen.“. Solange Sitzplätze da sind. Dann werden die Glastüren zugemacht, und die Witwen und Waisen müssen draußen bleiben.
„Mir reicht’s jetzt“, sagte ich laut. „Ich werde katholisch.“ Nach Genehmigung von oben heischend, blickte ich auf – und stand vor der Mariensäule.  

Mariensäule zu Düsseldorf, Maxplatz (Bild: Wikicommons, Ies )

PuLa wünscht allen seinen Leserinnen und Lesern ein gnadenreiches und fröhliches Weihnachtsfest!

Gereon Lamers 

Der Adventskalender von Konversionen, Tag 23, Werner Bergengruen

Versuche, die Welt aus den Angeln zu heben, haben mich nie gelockt. Wichtig und tröstlich war mir immer der Blick auf die Angeln, in denen sie sich bewegt und doch ruht.

Werner Max Oskar Paul Bergengruen, geboren am 16. September 1892, in die Kirche aufgenommen am 12. April (?) 1936, gestorben am 4. September 1964

Im Herbst 1919 vermählt sich der Deutschbalte Werner Bergengruen in Marburg mit Charlotte Hensel, einer Urenkelin von Fanny Mendelssohn-Hensel! Die Bezüge in der kleinen deutschen Konversionsgeschichte reißen nicht ab.

Werner Bergengruen (Bild: Werner-Bergengruen-Gesellschaft e.V.)

Zu diesem Zeitpunkt kämpfte Bergengruen gerade, zeitweise sogar erfolgreich, in seiner geliebten Heimat gegen die Bolschewisten, wie wir wissen letztlich ein aussichtsloser Kampf. Daran schlossen sich wirtschaftlich schwere Jahre einer auch räumlich unsteten Existenz an, an die sich allerdings eine Phase zunehmenden, schließlich erheblichen schriftstellerischen Erfolges knüpfte.

Seine Gegnerschaft zum Nationalsozialismus und die Gefährdung Charlottes als “Teiljüdin” führten zur Übersiedlung nach München, wo das Ehepaar die „langsame, organische“ Entwicklung hin zum katholischen Glauben abschloß:
“Die katholische Kirche [ist] wie eine Mutter einfachen Ursprunges, […] ihr Körper strotzt von Milch, ihr Herz von Wärme. [Sie] gebiert, nährt, bettet, heilt, tröstet und liebt.”
Ihr Leben hier, in einem sie auch schützenden gleichgesinnten Umfeld (Muth, Haecker, Görres) war allerdings, anders als lange angenommen, keineswegs “nur” eines der „Inneren Emigration“, vielmehr nahmen beide Bergengruens aktiv am Widerstand der „Weißen Rose” teil.
Nach dem Krieg konnte Bergengruen sich ab 1946 dank eines engagierten Verlegers in der Schweiz und dann auch glückliche zwei Jahre lang in Rom aufhalten. 

Doch auch in Deutschland stellte sich der Erfolg wieder ein. Es heißt, noch 1967 habe der “Spiegel“ Studenten nach ihrem Lieblingsautor gefragt, wobei Hermann Hesse und Werner Bergengruen auf Platz eins kamen. Nur zwei Jahre später jedoch hatte sich das Bild radikal gewandelt, und heute gehört Bergengruen zu den praktisch vergessen Autoren.
Die “Studentenbewegung”, bzw. ihre intellektuellen Vorkämpfer in der „Kritischen Theorie“, hier allen voran Th. W. Adorno mit seiner Polemik gegen den “Jargon der Eigentlichkeit”, hatten ganze Arbeit geleistet, “bürgerliche”, gar christliche Autoren wurden zu Unpersonen erklärt. Daß damit zugleich der Stab gebrochen wurde, über den wohl vitalsten Teil des literarischen Widerstands gegen die braune Flut, scherte offenbar niemanden.
Bergengruen selbst hat darauf eine passende, noble Antwort gegeben:

„Mein Schicksal war nicht eines Wegbereiters./ Ich wählte nicht. Gott hat für mich gewählt./ Mein Erbe war das Los des Nachhutreiters/ und zu den letzten hat mich Gott gezählt.”

Eine ähnliche Haltung hat er übrigens auch gegenüber den Neuerungen des Zweiten Vatikanums eingenommen…

Aber, was wäre, am Tag vor Heiligabend, ein Text über Werner Bergengruen ohne sein “Kaschubisches Weihnachtslied”?

Enjoy! 🙂 

Kaschubisches Weihnachtslied

Wärst du, Kindchen, im Kaschubenlande,
wärst du, Kindchen, doch bei uns geboren!
Sieh, du hättest nicht auf Heu gelegen,
wärst auf Daunen weich gebettet worden.

Nimmer wärst du in den Stall gekommen,
dicht am Ofen stünde warm dein Bettchen,
der Herr Pfarrer käme selbst gelaufen,
dich und deine Mutter zu verehren.

Kindchen, wie wir dich gekleidet hätten!
Müßtest eine Schaffellmütze tragen,
blauen Mantel von kaschubischem Tuche,
pelzgefüttert und mit Bänderschleifen.

Hätten dir den eig’nen Gurt gegeben,
rote Schuhchen für die kleinen Füße,
fest und blank mit Nägelchen beschlagen!
Kindchen, wie wir dich gekleidet hätten!

Kindchen, wie wir dich gefüttert hätten!
Früh am Morgen weißes Brot mit Honig,
frische Butter, wunderweiches Schmorfleisch,
mittags Gerstengrütze, gelbe Tunke,

Gänsefleisch und Kuttelfleck, fette Wurst
und gold’nen Eierkuchen,
Krug um Krug das starke Bier aus Putzig!
Kindchen, wie wir dich gefüttert hätten!

Und wie wir das Herz dir schenken wollten!
Sieh, wir wären alle fromm geworden,
alle Knie würden sich dir beugen,
alle Füße Himmelwege gehen.

Niemals würde eine Scheune brennen,
sonntags nie ein trunk’ner Schädel bluten, —
wärst du, Kindchen, im Kaschubenlande,
wärst du, Kindchen, doch bei uns geboren!

Gereon Lamers 

Der Ersatz-Bericht – Sketchlet zum Dritten Advent (nachgeholt)

Ein Sketchlet für eine Reporterin, fünf Schafe, zwei Lämmchen und beliebig viele Schafstatisten

 

Wundersdorf, die bekannte Schafweide. Soeben hat die Gruppe den Heiligen Nikolaus am Gatter verabschiedet. Die junge Reporterin war dabei tapfer mit durch die halbgefrorene Wiese gestapft. Nun wendet sich Kohle der jungen Frau zu.

Kohle: Guten Tag! Ich bin Kohle!

Die junge Frau: Hallo! Ich bin Mona.

Blütenweiß: Entschuldigen Sie bitte, daß wir uns Ihnen erst jetzt zuwenden …

Flocke: … aber wir mußten rasch den Heiligen Nikolaus auf den Weg bringen.

Mona: Das macht überhaupt nichts! Übrigens könnt ihr mich gerne duzen.

Fixi (neugierig): Bist du die Frau von EWTN?

Mona: Erraten! Und du bist Fixi?

Fixi (stolz): Ja!

Huf: Ich bin Huf!

Mona: Hallo Fixi, hallo Huf! (Sie hockt sich zwischen die beiden und streichelt sie mit beiden Händen übers Fell.) Ich habe schon viel von euch gelesen und gehört. Schön, euch endlich persönlich kennen zu lernen!

Fixi (aufgeregt): Und nun wirst du über uns berichten?

Mona: Genau das werde ich!

Huf: In den „Ersten Wundersdorfer Tagesnachrichten“?

Mona (nach einer Schrecksekunde): In wo?

Fixi: Na, was heißt denn EWTN sonst? (Mona bricht in schallendes Gelächter aus.) Wir haben so lange überlegt …

Mona (wischt sich eine Lachträne aus dem Auge): Huuuuuuu! Na, sag mal! Fixi! Ihr seid doch sonst so schnell im Internet!

Huf (ein bißchen beleidigt): Der Hirte hat gesagt, wir müssen Strom sparen!

Fixi (beschämt): Wir dürfen grad nicht ins Netz!

Flocke: Da muß ich die Lämmchen jetzt mal in Schutz nehmen! Sie tragen wie immer die größte Last in dieser neuen menschengemachten Krise! (Sie zieht zornig die Stirn in Falten.)

Wolle: Sie haben schon ein kleines Wasserkraftwerk für die Tannenbeleuchtung gebaut.

Kohle (stolz): Möchtest du es sehen?

Mona: Aber selbstverständlich gern!

Kohle: Dann komm! Da lang!

Die Herde macht sich auf den Weg, immer Kohle und Mona hinterher. Unterwegs:

Grauchen: Was wolltest du eigentlich über uns berichten?

Blütenweiß: Vielleicht wie wir zum Synodalen Weg stehen?

Mona: Oh, Himmel … ich weiß nicht … damit wollte ich euch eigentlich verschonen …

Flocke: Aber das wäre doch mal sehr interessant! Für die Menschen da draußen …

Mona: Ich finde, der Heilige Nikolaus persönlich auf der Wundersdorfer Schafweide … das ist doch die Story! Daraus muß ich einfach was machen!

Wolle: Ach naja… der Nikolaus. Der kommt immer schon mal hier vorbei …

Flocke: … es hat tatsächlich nicht so wirklich den Aktualitätswert …

Kohle: … darüber kannst du immer noch mal berichten …

Grauchen: … aber der Synodale Weg ist jetzt und es wird immer kritischer.

Blütenweiß: Er macht sich einfach gerade gut in Schlagzeilen …

Fixi: … und da könnte man das Stichwort nutzen, um endlich einmal auch über ganz schafspezifische Belange zu berichten.

Mona: Schafspezifische Belange. Na gut. Ich hatte schon befürchtet, ihr wolltet auf diesen Trans-Kram da raus …

Die Schafe (durcheinander): Ja genau! – Aber das ist es doch! – Das nimmt doch gar keiner wahr! – Eben! Kennt kein Mensch!

Mona (fassungslos): Ihr wollt …

Kohle: … daß du über das Stichwort Transhumanz berichtest. Ja!

Mona (fährt sich über die Augen): Ihr macht mich fertig! Transwasfürnding?

Kohle (sachlich): Transhumanz. Es handelt sich dabei um eine besondere Form der Schafweidewirtschaft.

Flocke (zu Mona): Was dachtest du denn bei „trans-“?

Mona (rasch): Äääääh … ach, nichts! Schon gut! Transhumanz. (Sie notiert sich das Stichwort.) Mit „h“ in der Mitte?!

Kohle: Ja. (Leichthin) „Trasumanare“ ist ja italianisiert. Das nutzt nur Dante als eigene Neuschöpfung in den letzten Gesängen des Purgatorio, um den Übergang vom Menschlichen ins Göttliche begrifflich zu fassen. Muß uns hier nicht weiter interessieren.

Grauchen (zu Blütenweiß, flüsternd): Was hat Kohle gesagt?

Blütenweiß (ebenso zurück): Ich hab‘s auch nicht verstanden. Seine Tante muß irgendein Buch geschrieben haben …

Grauchen (leise): Kohle erstaunt mich immer wieder.

Mona: Dann müßt ihr mir das jetzt aber erklären.

Die Schafe (durcheinander): Nichts leichter als das! – Stell dir einfach eine Almwirtschaft vor, nur krasser  – also das geht dann richtig in andere Klimazonen – im Sommer auf die Berge, weil es unten zu heiß und zu trocken wird – und im Winter in der Nähe der Hirtenwohnung…

Ein Lämmchen: Ich bin aber im Grunde ganz zufrieden so. Sonst müßte ich meinen angefangenen Schneemann unter Umständen im Stich lassen.

Wundersdorf, Schafweide, kurz nach Monas Abreise; mittendrin gut zu erkennen der halbe Schneemann (Bild: Fixi Lämmchen)

Huf: Dein Schneemann schmilzt sowieso bald …

Das Lämmchen: Der schmilzt gaaar nicht!

Flocke (zu Mona): Wenn die eigene Bedarfsproduktion im Vordergrund steht, spricht man auch von „transhumantem Agropastoralismus“.

Wolle: Das wäre vielleicht die Brücke zur Situation der Kirche in Deutschland …

Mona: Die Produktion für den eigenen Bedarf? (Sie lacht.)

Grauchen: Naja … das Kreisen um sich selber …

Blütenweiß (vorsichtig): … diese Beobachtung, daß Kirche sich mehr und mehr nur noch selbst verwaltet …

Mona: Aber gleich „aggro-“ …

Flocke: Nicht mit Doppel-„g“!

Wolle (lacht): Nicht von aggro, sondern aaaagro … das kommt vom lateinischen Wort für „Acker“.

Mona: Verstehe … Ja, das hat was! Ok, der Text ist so gut wie geschrieben. Jetzt brauche ich nur noch ein Foto von euch. Was ist denn das hier für ein brummendes Häuschen?

Sie sind längst am Fluß angekommen und stehen neben dem Generatorenhäuschen.

Kohle: Na, davon reden wir doch die ganze Zeit!

Flocke: Die Lämmchen haben ein kleines Wasserkraftwerk gebaut, damit dir zu Ehren trotz Stromsperre die Tanne in ihrer altbekannten Festlichkeit erstrahlt. (Sie wendet sich um und weist auf die LED-lichterkettengeschmückte Tanne)

Mona (bleibt einen Moment der Mund offen stehen): Ihr macht mich fertig! Sagte ich das schon? Großartig! Was in den deutschen Herden alles geht! Und die Hirten schert’s einen feuchten Kehricht! (Sie schüttelt den Kopf.) Gut, daß ich euch endlich einmal besuche. Stellt euch um die Tanne herum, los! Ich mach ein paar Fotos.

Im Galopp laufen die Schafe zur Tanne und gruppieren sich malerisch um das leuchtende Zentrum ihrer Weide. Naja – das irdische Zentrum … Mona scheucht das eine oder andere Schaf noch nach vorne oder auf die Seite und fotografiert.

Mona (setzt den Fotoapparat ab): So! Das war’s! Herzlichen Dank! (Sie verstaut ihren Notizblock in einer großen Umhängetasche.) Ich würde mich jetzt verabschieden. Aber ich komme bestimmt wieder! (Sie streichelt den Schafen über das Fell.)

Kohle: Wo kommst du heute Nacht unter? Es wird schon dunkel.

Einige Schafe (stimmen den charakteristischen Dreiklang an): Blaaaaaaaib bei uuuuuuuns …

Mona: Vielen Dank, ihr Lieben! Aber ich übernachte bei Langenfelds. Das ist kein Problem! Da find’ ich schon hin.

Kohle: Es hat uns sehr gefreut.

Die Schafe (durcheinander): Ja! – Vielen Dank! – Komm bald wieder! – Alles Gute! – Viel Erfolg weiterhin! – Guten Heimweg! – Grüße an Langenfelds! – Wir sind gespannt auf den Bericht!

Fixi: Ja … Apropos … Mona! Was heißt EWTN denn nun wirklich?

 

ENDE

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Ja, so geht’s zu in Wundersdorf! Diese Schafe! Da haben sie mir nichts dir nichts zuletzt noch die Brücke zur Passion geschlagen – wie sich das in der Weihnachtszeit gehört. Aber das „Bleib bei uns“ spielen wir Ihnen jetzt trotzdem nicht vor. Dazu haben wir ja ein andermal schon ziemlich viel geschrieben. Was wir Ihnen zum Abschluß als Musik mitgeben, paßt noch besser. Nämlich das „Trans-eamus“.

Enjoy! 🙂 

 

Der Adventskalender von Konversionen, Tag 22, Dorothea Schlegel

Soll Gottes Wille geschehen auf der Erde, so müssen wir ihn tun, sonst geschieht er nicht, und Er sendet dann Diener Seiner Rache, die tun dann den Willen Seiner strafenden Gerechtigkeit, da wir den Seiner Barmherzigkeit nicht getan haben.

Dorothea Friederike (von) Schlegel, geboren am 24. Oktober 1764, in die Kirche aufgenommen am 18. April 1808, gestorben am 3. August 1839

Die Beobachtung von der schieren Überfülle der Bezüge, die etliche der Konversionen des beginnenden 19. Jahrhunderts kennzeichnet (angesichts der Vita von Luise Henselwird von derjenigen im Leben Dorothea Schlegels eindrucksvoll unterstrichen.
Tochter (gar wohl „Lieblingstochter“) des jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn, wird sie mit einem Geschäftspartner der Familie verheiratet und heißt fortan Brendel (ihr jüdischer Vorname) Veit. Sie ist eine Tante der Komponistin Fanny Mendelssohn-Hensel (und so auch mit Luise Hensel ‚verschwägert‘). Sie bekommt zwei Söhne und lernt nach neun Ehejahren den genialischen jungen Dichter und Gelehrten Friedrich Schlegel kennen, mit dem sie ein Verhältnis beginnt, das zu ihrer nach jüdischem Recht vollzogenen Scheidung im Jahr 1799 führt. Gemeinsam mit ihrem „Lebensgefährten“ ist sie ein zentraler Teil des Jenaer Frühromantikerkreises mit Fichte, Schelling, Novalis, Tieck, Schleiermacher und Friedrichs Bruder August Wilhelm Schlegel samt dessen Frau Caroline. Hier machte man sich nicht nur wegen des darin enthaltenen Frauenbilds von der “züchtig waltenden Hausfrau“ über Schillers “Gedicht von der Glocke” lustig, beide Schlegel-Brüder arbeiteten auch intensiv mit ihren Gefährtinnen zusammen, wenn auch, zeittypisch z.B. Dorotheas Roman „Florentin“ zunächst unter seinem Namen erschien. 

Dorothea Schlegel von Anton Graff (Bild: Wikicommons)

Ab dem Jahr 1802 lebte das Paar in Paris, wo beide 1804, nachdem Dorothea (wie sie sich bereits seit der Scheidung nannte) sich protestantisch hatte taufen lassen, auch heiratete.
Noch 1804 zog das Ehepaar nach Köln, Dorothea arbeitete weiterhin an Übersetzungen und Literaturkritiken und es war wohl sie, die hauptsächlich zu der gemeinsam Ostern 1808 vollzogenen Konversion drängte.

Weitere Lebensstationen waren Wien (ab 1808) und dann vor allem Rom (ab 1818), wo sie in den Erinnerungen von Louise Seidler als umstrittene, aber geniale und gewinnende Persönlichkeit auftaucht. “Unaussprechlich katholisch”, nennt sie dort Caroline von Humboldt. In Rom sorgte sich die Mutter auch um das Fortkommen ihrer Söhne, beide 1808 in Köln katholisch getauft, die beide Maler der sog. “nazarenischen Schule“ geworden waren. 

Nach dem überraschenden Tod ihres Mannes im Jahr 1829 zog sie zu ihrem Sohn Philipp nach Frankfurt a.M., und traf im Jahr darauf mit ihrer ebenfalls zum katholischen Glauben bekehrten Schwester Maria Henriette Mendelssohn zusammen. 

 

An den Gründen der Konversion von Dorothea und Friedrich hat sich die (Literatur-) Wissenschaft, und zwar im Grunde seit kurz nach ihrem Tode, gründlich abgearbeitet und tut es noch. Dabei steht ihr Lebensweg durchaus stellvertretend für die Bewertung dieser Tendenz aus dem Kreis der Frühromantik überhaupt und ist also von erheblicher Bedeutung. Grob werden dabei die Kontinuitätshypothese und die Diskontinuitätshypothese unterschieden, also die Annahme von “schon immer” vorhandenen Elementen, die zum Katholizismus drängen, und diejenige eines kompletten und auch unerklärlichen Bruchs der Lebensanschauungen und des Denkens. Naheliegend, daß erstere Denkrichtung dazu tendiert, die Konversion positiv zu bewerten, während die zweite sie kritisch sieht. 

Vor allem die Diskontinuitätshypothese samt ihrer Betonung des Unverständlichen findet heute populärwissenschaftlich immer noch Niederschlag. So findet sich folgender Satz in der Wikipedia:  

“Die Tochter des prominenten jüdischen Vertreters der Aufklärung und Toleranz war nun gemeinsam mit ihrem zweiten Mann davon überzeugt, dass es außerhalb der katholischen Kirche kein Heil gebe, und bemühte sich, unter ihren Freunden und in ihrer Familie Proselyten zu werben […]”

Und ausgerechnet die Mendelssohn-Gesellschaft macht sich m.E. eines mehr oder eher weniger subtilen Sexismus schuldig, wenn sie ‘weibliche Gefühligkeit’ zur Begründung auch der Konversion heranzieht und es im gleichen Satz fertig kriegt, das antikatholische Klischee von der Vernunftabgewandtheit zu perpetuieren: 

“So ungestüm und leidenschaftlich wie sie, hat keines der Kinder des Aufklärungsphilosophen immer wieder neu den Weg der eigenen Gefühle gesucht, die gelernte Orientierung an der Vernunft relativiert und das eigene Leben dramatisch neu erfunden.”

Gemein ist all diesen Positionen natürlich die nachgerade notorische Distanz, auch nur zu dem Gedanken an jede Form authentischen Glaubens.
Denn, so will mir scheinen, wenn man von diesem abgeschmackten Vorurteil einmal absieht, ist es gar nicht schwer, eine innere Logik in der Entwicklung der frühen Romantiker, in ihrem Heimweg zur Kirche zu finden, die keine der o.g. Hypothesen braucht. 

Denn was war das eigentliche Projekt der Frühromantik?
Die Rückverzauberung der Welt.

Hatten ihre Protagonistinnen und Protagonisten doch gerade erleben müssen, wie die fürchterlichen Konvulsionen der in der ‚Französischen Revolution’ zur Macht gewordenen ‘Vernunft’ (in ihrer beraubten und pervertierten Form) die Welt um Zauber und Ordnung zugleich gebracht hatte.
Nun galt es beides auch zugleich wieder zu finden, und dazu bedurfte es einer Kraft, die beides in sich vereinte. Und schon immer vereint hatte.
Nun ist die ernsthafte Form des ‘Zaubers’ der Mythos. Das Christentum aber ist der Wahre Mythos (weshalb, nebenbei bemerkt, jede Präfiguration seiner Inhalte in anderen, älteren Mythen, eben dies und damit das Gegenteil einer “Widerlegung” ist).
Wahrheit, um eben diese nicht beraubte Vernunft, Ordnung und ‘Zauber’ des Christentums, aber bewahrt die römische Kirche, “in der die Kirche Jesu Christi subsistiert“, gültig auf.

Diese im Grunde einfache Logik scheint den besten Köpfen und Herzen seit damals immer wieder auf und nicht einmal das aktuelle Bemühen tonangebender Kreis in der Kirche, sie zu einer besseren (?) NGO zu machen, wird das ändern können.

Gereon Lamers 

 

Der Adventskalender von Konversionen, Tag 21, Gertrud von Le Fort

Denn ich will eure Treue zur Verheißung machen, ich will die Becher eures Gedenkens mit Sinn füllen bis zum Rande! 

Gertrud Auguste Lina Elsbeth Mathilde Petrea Freiin von le Fort, geboren am 11. Oktober 1876, in die Kirche aufgenommen im März 1926, gestorben am 1. November 1971

Wie gut erinnere ich mich an mein Erstaunen, als ich vor Jahren von dieser “allerkatholischsten” Autorin erfuhr, daß sie konvertiert sei! Ein Erstaunen, nochmals sozusagen aktualisiert, als mir klar wurde, ihre berühmten “Hymnen an die Kirche” wurden schon zwei Jahre vor ihrem Eintritt in die Kirche veröffentlicht. 

Gertrud v. le Fort, ca. 1935 (Bild: Wikicommons)

Das war, bevor ich mich mit dem Phänomen der Konversion und den Energien, die sie freisetzen kann, näher beschäftigt hatte, aber “der Papierform nach“ war diese Tochter aus einem  hugenottischen Adelsgeschlecht, ansässig in Mecklenburg, die später u.a. Evangelische Theologie studierte, und bei E. Troeltsch Vorlesungen über allgemeine Religionsphilosophie hörte, auch wahrlich keine Kandidatin für diesen Weg!
Untergründig aber, so hat sie später bekannt, gab es schon früh Erlebnisse, die sie mit der Welt des katholischen Glaubens in Berührung brachten. Besonders anrührend und m.E. bezeichnend die Begegnung, schon als Kind, mit dem wohl katholischsten Fest überhaupt: Fronleichnam (in Koblenz).
Und, fast ist man versucht zu sagen ‘natürlich’, waren es Aufenthalte in Rom (in den Jahren 1907 und 1909) die zu dem langen Werden der Unausweichlichkeit des Schritts beitrugen.

In einer späteren Reflexion schrieb sie:

“Ich habe mich kaum mit den theologischen Streitfragen der Bekenntnisse auseinandergesetzt, entscheidend war für mich die Erhabenheit der Liturgie, die Atmosphäre, die Unwiderlegbarkeit der letzten Glaubensgründe, welche keiner dialektischen Begründungen bedarf, sondern nur [der] Einstimmung in ein heiliges ewiges Geheimnis
… Hier in der Liturgie wurzelt meine Beheimatung in der katholischen Kirche“

Muß ich noch extra darauf hinweisen, daß es eben nicht die heutige Form der Liturgie war, die die große Dichterin heimgeführt hat? 

Im Jahr 1949 wird Le Fort von Hermann Hesse für den Nobelpreis für Literatur vorgeschlagen. Er bezeichnet sie als „die wertvollste, begabteste Vertreterin der intellektuellen und religiösen Widerstandsbewegung“ im nationalsozialistischen Deutschland. Aber wahrscheinlich war, anders als noch bei Sigrid Undset, da die Zeit schon vorbei, in der explizit religiöse Dichtung auch die Ehrung der ‘Welt’ finden konnte. 

Hier zum Abschluß die mir vielleicht liebste aus dem Hymen an die Kirche (Heiligkeit der Kirche I): 

Deine Stimme spricht:

Ich habe noch Blumen aus der Wildnis im Arme,
ich habe noch Tau in meinen Haaren
aus Tälern der Menschenfrühe.
Ich habe noch Gebete, denen die Flur lauscht, ich weiss noch,
wie man Gewitter fromm macht und das Wasser segnet. 

Ich trage noch im Schoße die Geheimnisse der Wüste,
ich trage noch auf meinem Haupt
das edle Gespinst grauer Denker.
Denn ich bin Mutter aller Kinder dieser Erde:
was schmähest du mich, Welt,
daß ich groß sein darf wie mein himmlischer Vater?

Siehe, in mir knien Völker, die lange dahin sind,
und aus meiner Seele leuchten nach dem Ew’gen viele Heiden!
Ich war heimlich in den Tempeln ihrer Götter,
ich war dunkel in den Sprüchen all ihrer Weisen.
Ich war auf den Türmen ihrer Sternsucher,
ich war bei den einsamen Frauen, auf die der Geist fiel.

Ich war die Sehnsucht aller Zeiten,
ich war das Licht aller Zeiten, ich bin die Fülle der Zeiten.
Ich bin ihr großes Zusammen, ich bin ihr ewiges Einig.
Ich bin die Straße aller ihrer Straßen:
auf mir ziehen die Jahrtausende zu Gott!

 

Gereon Lamers 

Der Adventskalender von Konversionen, Tag 20, Friedrich IV. von Sachsen-Gotha-Altenburg 

Friedrich IV., Herzog von Sachsen-Gotha und Altenburg, geboren am 28. Nov. 1774, in die Kirche aufgenommen im Jahr 1814, gestorben am 11. Febr. 1825

Herzog Friedrich IV. sollte der letzte regierende Herzog dieser Linie der Ernestiner in Gotha sein. Nach seinem Tod ging das Territorium zum größten Teil in dem ungleich bekannteren Sachsen-Coburg-Gotha auf. 

Aber Friedrich, “Der unglückliche Herzog”, war auch an der Ausübung der Herrschaft niemals interessiert gewesen. Musisch veranlagt, er galt als ausgezeichneter Sänger, war er in den Wirren der Kriege, die die unselige ‘Französische Revolution’ über Europa brachten, zum Militärdienst quasi gezwungen, und prompt schwer verwundet worden, was Zeit seines Lebens seine Gesundheit stark beeinträchtigte. 

Erst nach dem Tod seines Vaters wurde möglich, was ihm Linderung brachte: Drei lange Aufenthalte in Rom! Die Jahre 1805/06, 1807-10 und vor allem 1814-20 wurden zu den schönsten seines Lebens. 

Prinz Friedrich von Sachsen-Gotha-Altenburg (Bild. Wikicommons, Zeno.org)

Beendet wurden diese durch Druck aus der Heimat und im August 1822 mußte er schließlich nach dem Tode seines extravaganten und verschwenderischen Bruders, Emil Augustder trotz zweier Ehen ebenfalls kinderlos geblieben war, dennoch die Regentschaft übernehmen. 

Bemerkenswert ist, was die Fachwelt wohl weißdaß er es war, der mit seinem Testament die Grundlage für die “auf alle Zeiten unzertrennten” Bestände der Kunst- und Kulturschätze in Gotha legte! 

Die heutige Zeit widmete freilich ganz aktuell lieber dem “flamboyanten” Bruder eine umfangreiche Ausstellung

In Rom war Friedrich ein, schon angesichts seines gesellschaftlichen Ranges, wichtiger Teil der dortigen deutschen Künstlerkolonie, die sich dort zusammengefunden hatte. Zauberhaft multimedial aufbereitet hat das diese Seite aus dem Jahr 2019. 

Konversion und Katholizismus aber waren in diesem Mikrokosmos ein permanentes Thema, auch, wenn man bis heute den Eindruck nicht los wird, es sei etlichen Menschen, darunter gerade denen, die „wissenschaftlich “ darüber schreiben, eher unangenehm.

Ein lebendiges Zeugnis der damaligen Atmosphäre erhält man, wenn man die Lebenserinnerungen der Louise Seidler, einer Weimarer Mitbürgerin, bitte schön!, studiert. 

Autobiographie L. Seidler (eigenes Bild)

[In Parenthese: Der Titel ist schon absolut ärgerlich, weil sexistisch und falsch zugleich! Wenn es eine “römische” Malerin gäbe, auf die diese Bezeichnung, richtig verstanden, zuträfe, so wäre das nämlich die eine halbe Generation ältere Angelica Kauffmann]

Obwohl die Seidlerin selber nicht katholisch wurde, ja, vielleicht sogar ihres Protestantismus eher bewußter, so schildert sie doch Konvertitinnen und Konvertiten und überhaupt die ganzen “römisch-katholischen Umstände” mit einem überdurchschnittlichen Maß an Fairness und Nüchternheit. Freilich, so ganz konnte es auch Frau Seidler nicht lassen, Stereotypen des Antikatholizismus zu bedienen:

„Der Prinz, welcher schon lange in Rom lebte, wurde vom Papst und der Geistlichkeit sehr ausgezeichnet, da er zur katholischen Kirche übergetreten war. Er war ein Fürst von seltener Herzensgüte, stillen, in sich gekehrten Wesens, ohne Geist und Leben. Seine Gestalt war groß und schön, sein dickes, rothes, bartloses Gesicht, welches semmelblonde, krause Locken umgaben, ward von freundlichen Augen belebt; seine sehr schönen Hände schmückten zahlreiche Ringe. Sein Gefolge bestand nur aus einem deutschen Kammerdiener und meinem Vetter Ettinger, der sein Secretär, Geschäftsführer und Hofmarschall zugleich war.”
“Während des Sommers bewohnte der Prinz eine schöne Villa in Albano; im Winter zog es ihn wieder nach Rom, wo er gern die Theater besuchte; in den besseren derselben hatte er eine Loge. Er liebte die Musik und hielt sich einen eigenen Musikmeister, Namens de Cesaris, der ihn unterrichtete und ihm vorspielte. Dieser Mann war ein schlauer, versteckter Jesuit, von gewandten, einschmeichelnden Formen. Er war hauptsächlich der Urheber des Uebertritts des Prinzen zur katholischen Confession gewesen; die vornehmste Geistlichkeit brachte die von diesem angebahnte Glaubensänderung zum Abschluß. Nun genoß der Prinz in clericalen Kreisen eines besonderen Ansehens und auf alle Weise begünstigte man seine Lieblingsneigungen, die sich hauptsächlich auf Malerei und Musik richteten. Oft speisten musikalische Künstler bei ihm; eine vorzügliche Kapelle führte häufig Tafelmusik aus.”

Friedrich IV. v. Sachsen-Gotha-Altenburg (Bild. Wikicommons, Milwaukee Art Museum)

Nun, deutlich wird zwischen den Zeilen, hier und an etlichen weiteren Stellen der Erinnerungen, das, vermutlich allerdings nicht eingestandene, Bewußtsein davon, daß hier das konfessionelle Spielfeld, anders als in der mitteldeutschen Heimat, selbst im kleinen Rahmen der deutschen Künstlergemeinschaft ausgeglichen war. 🙃 😇 Wir kommen wahrscheinlich in dieser Woche noch auf ein weiteres, schillerndes, Mitglied zurück! 

Gereon Lamers 

Der Adventskalender von Konversionen, Tag 19, Theodor Haecker

Ich mußte große Umwege machen, ehe ich zu mir selber kam – und daß meine Seele sich schwinge aus dem Meere der Schwermut, darein sie zu versinken drohte, zu den ewigen Sternen der Hoffnung, denn immer leuchtete ein Licht, das nicht von dieser Welt ist. Das Ganze weiß doch nur Gott, und wenn es um das Ganze geht, dann habe ich alle Schriftstellerei vergessen, dann bin ich auf den Knien und rede nicht mehr und schreibe noch weniger. Denn ich bin auf dem Wege gewesen, langsam, aber hartnäckig, und mit Hilfe von oben – in alle Nacht leuchtete ein Licht, das nicht von dieser Welt ist.

Theodor Haecker, geboren am 4. Juni 1879, in die Kirche aufgenommen im April 1921, gestorben am 9. April 1945

“Die Literatur vergeht, sie gebiert keine Worte, die nicht vergehen. Auch die Berühmtesten haben ihre Grenze, wo ihre Wirkung einmal zerfällt.”

So schrieb Theodor Haecker 1943 in seinen “Tag- und Nachtbüchern” und auch in diesem Zitat scheint, wie in dem obigen von Ende 1921 zu seiner Konversion, das klare Bewußtsein von der Priorität des Glaubens vor allen Dingen der Welt auf, auch vor seiner eigenen Profession als Schriftsteller. 

Dessenungeachtet ist es eine Schande, wie sehr vergessen dieser scharfzüngige und klarsichtige Satiriker, Philosoph und Übersetzer, Kriegsgegner schon 1914-18, frühzeitiger Diagnostiker der diabolischen Natur des Nationalsozialismus und Mentor der “Weißen Rose” heute ist!
Es ist, als hätte sich die Nachwelt schließlich lieber dem abwertenden Urteil K. Tucholskys angeschlossen, als den lobenden Worten eines T.S. Eliot oder J. Maritains.
Was kein Wunder wäre, zeugen doch die Auslassungen Tucholskys neben dem Ressentiment gegen  den “Satiriker-Kollegen”, der es geschafft hatte, sich von der Satire als Lebenshaltung freizumachen, vor allem von einem: Dem abgrundtiefen Unverständnis vor jeder Form und Äußerung authentischen Glaubens. Traurig.

Für uns verbindet sich Haecker jedoch sehr schön mit zwei weiteren Konvertiten, die wir schon behandelt haben. Richard Seewald hat ihn porträtiert!

Theodor Haecker, Porträt von R. Seewald (Bild: Wikicommons, Minhnghiem08)

Und Auslöser seiner jedoch offenbar schon lange, gerade im Ringen mit den Werken Kierkegaards, vorbereiteten Konversion war seine Übersetzung von Werken John Henry Newmans! (Z.B. von ‘A Grammar of Assent’ als ‘Philosophie des Glaubens’)

Ich habe mich, als ich heuer erneut auf Hacker stieß, erinnert, daß ich schon vor Jahren etwas über ihn hatte machen wollen, vor allem über sein vielleicht größtes und wohl auch heiterstes Buch: „Vergil, Vater des Abendlands“ von 1931; mal schauen! 

Gereon Lamers

Der Adventskalender von Konversionen, Tag 18, John Henry Newman

There are but two alternatives, the way to Rome, and the way to Atheism.

Der Hl. John Henry Kardinal Newman, CO, geboren am  21. Februar 1801, in die Kirche aufgenommen, am 9. Oktober 1845, gestorben am 11. August 1890 

Der Hl. John Henry Newman, dessen Lebensspanne fast das gesamte 19. Jahrhundert umfaßte, ist, nach Augustinus, die zweite Persönlichkeit im Rahmen unserer Konvertiten, die, selbst in diesem Rahmen, auch nur halbwegs adäquat zu behandeln, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist.  Zu umfangreich sein Werk, zu fortdauernd bedeutsam und aktuell seine denkerischen Beiträge zur katholischen Theologie! 

J.H. Newman, ca. 1844 (Bild: Wikicommons, Julian Felsenburgh)

Jedoch, die „Rettung” naht aus einer für PuLa sehr naheliegenden Richtung: Ich zitiere Papst Benedikt! 😉
Lesen Sie, was er im Rahmen der Gebetsvigil am Vorabend der Seligsprechung am 19. September 2010 während seiner Englandreise gesagt hat: 

“Ich möchte mit dem Gedanken beginnen, daß Newman, wie er selbst berichtet, die Entwicklung seines ganzen Lebens auf eine einschneidende Erfahrung der Umkehr als junger Mann zurückführte. Es war eine direkte Erfahrung der Wahrheit des Wortes Gottes, der objektiven Realität der christlichen Offenbarung, wie sie in der Kirche überliefert ist. Diese zugleich religiöse wie auch verstandesmäßige Erkenntnis hat seine Berufung als Diener des Evangeliums, seine Einsicht über den Ursprung der Lehrautorität der Kirche Gottes und seinen Eifer für die Erneuerung des kirchlichen Lebens in Treue zur apostolischen Tradition beeinflußt.
Am Ende seines Lebens beschreibt Newman sein Lebenswerk als einen Kampf gegen die wachsende Tendenz, die Religion als bloß private und subjektive Angelegenheit, als Frage von persönlicher Meinung zu betrachten. Das ist die erste Lehre, die wir von seinem Leben lernen können: Wenn heutzutage ein intellektueller und moralischer Relativismus die wahren Fundamente unserer Gesellschaft zu untergraben droht, erinnert uns Newman daran, daß wir Menschen, die wir Abbild Gottes und ihm ähnlich sind, erschaffen wurden, um die Wahrheit zu erkennen und in dieser Wahrheit unsere höchste Freiheit und die Erfüllung unserer tiefsten menschlichen Sehnsucht zu finden.”

Die “Umkehr als junger Mann“ geschah zu einem durchaus noch sehr reformiert geprägten Evangelikalismus, aber tatsächlich hat Newman dieses Jugenderlebnis immer als seine ursprüngliche “Rettung” aufgefaßt.
Die Entwicklung seines Denkens jedoch zog ihn immer mehr zunächst in eine hochkirchliche (anglo-katholische) Richtung, schließlich aber führten seine historischen Betrachtungen, die Beschäftigung mit den Kirchenvätern, die wachsende Überzeugung von der Notwendigkeit und historisch aufzeigbaren Unausweichlichkeit des Dogmas, ganz weg vom Protestantismus: 

“Und dieses eine ist zumindest sicher; Was auch immer die Geschichte lehrt, was sie ausläßt, was sie übertreibt oder abmildert, was sie sagt und was sie widerruft, auf jeden Fall ist der Protestantismus nicht das Christentum der Geschichte. Wenn es jemals eine sichere Wahrheit gab, dann diese. […]
Tief in der Geschichte zu sein bedeutet, aufzuhören, Protestant zu sein.”

Naheliegend, daß er im viktorianischen England, für das der Antikatholizismus nachgerade einen konstitutiven Faktor darstellte, für die Konversion viele und andauernde Anfeindungen erfuhr:

„Wenn sie einen nicht sofort verleugnen, dann lassen sie einen allmählich fallen … man bekommt keine Einladungen mehr, man ist nicht mehr ein willkommener Gast … ungeheuerliche, boshafte Geschichten werden über einen erzählt. Und was für ein Verbrechen hat man begangen? Man ist ein Katholik unter Protestanten.“

Papst Benedikt, der es auch war, der mit dem 9. Oktober den Tag der Konversion als Festtage des neuen Seligen (und seit 2019 Heiligen) festgelegt hat. Er fuhr bei der eben erwähnten Gelegenheit fort: 

“In einer der bevorzugten Meditationen des Kardinals heißt es: ‘Gott hat mich erschaffen, damit ich ihm einen besonderen Dienst erweise. Er hat mir eine Aufgabe übertragen, die er keinem anderen übergeben hat’. Das ist Newmans wahrer christlicher Realismus, die unumgängliche Schnittstelle von Glauben und Leben. Durch das Wirken des Heiligen Geistes im Leben und im Tun der Gläubigen soll der Glaube für die Umwandlung der Welt fruchtbar werden. Keiner, der unsere Welt von heute realistisch betrachtet, sollte meinen, daß Christen so weiterleben könnten wie bisher, indem sie die ernste Krise des Glaubens, die unsere Gesellschaft erfaßt hat, ignorieren oder einfach hoffen, daß das im Laufe der christlichen Jahrhunderte übermittelte Erbe christlicher Werte weiterhin die Zukunft unserer Gesellschaft beeinflussen und formen wird.”

Die „ernste Krise des Glaubens” aber kommt zum Teil aus den Reihen der Kirche selbst und unseligerweise ist die Lage in Deutschland  besonders schlimm.
Dabei reden die Chef-„Theologinnen” und „-theologen” des “Synodalen Wegs” einer vermeintlichen Wandelbarkeit der Lehre das Wort, die weiter nicht entfernt sein könnte, von den Überzeugungen Newmans, den die historische Betrachtung zu der Erkenntnis geführt hat, wie der unwandelbare Kern des Christentums sich in organischer Fortentwicklung und Entfaltung, niemals aber im Bruch und Untreue zum Ursprung, gerade in der Römischen Kirche erhalten hat! Er ist insoweit einfach der Heilige der Stunde.

Heiliger John Henry Newman, bitte für uns!

J. H. Newman, 1881, von John Everett Millais (Bild: Wikicommons, National Portait Gallery)

Gereon Lamers 

Der Adventskalender von Konversionen, Tag 17, John Wayne

Tomorrow is the most important thing in life. Comes into us at midnight very clean. It’s perfect when it arrives and it puts itself in our hands. It hopes we’ve learned something from yesterday.
(Grabinschrift, Zitat aus einem Interview)

Marion Mitchell [Robert] Morrison, Künstlername John Wayne, geboren am 26. Mai 1907, in die Kirche aufgenommen am 9. Juni 1979, gestorben am 11. Juni 1979

John Wayne vorzustellen, dürfte sich wohl sogar für ein jüngeres Publikum erübrigen: “Hollywood-Legende” trifft den Sachverhalt ja tatsächlich recht gut. Seine Karriere dauerte ziemlich genau 50 Jahre, in dieser Zeit entstanden 175 Filme und einen Oscar gab es auch (1969 für “True Grit”). Wayne galt und gilt nach wie vor als die Verkörperung eines amerikanischen Patrioten und der Gründungslegende der Vereinigten Staaten von der “Frontier”.

John Wayne in “Rio Bravo”, 1959 (Bild: Wikicommons, Soerfm)

Er vertritt im Rahmen unseres Adventskalenders den Typus der ‘Konversion auf dem Totenbett’.
Dabei war er tatsächlich sein ganzes erwachsenes Leben von Katholikinnen und Katholiken geradezu “umzingelt”. Seine drei Ehefrauen [“Hollywood”… 🙁 ] waren katholisch, alle seine sieben Kinder wurden katholisch erzogen (ein Enkel von ihm ist heute Priester!) und: der Regisseur, mit dem er die größten Erfolge feierte, und wahre Klassiker vor allem des Genres “Western” drehte, John Ford war ebenfalls irischstämmiger Katholik.

Über die Gründe für sein langes Zögern, er selbst soll sein “busy life” dafür verantwortlich gemacht haben, war nichts sicheres herauszufinden, ebensowenig, was dann den Ausschlag gab, es im letzten Augenblick doch zu tun. Der ihm in diesem Zusammenhang zugeschriebene  Satz: “A man’s gotta do what a man’s gotta do” erscheint mir allzu anekdotisch.
Ebenso kursieren im Netz deutlich verschiedene Versionen über die genauen Umstände der Konversion, ungeachtet der Tatsache, daß sie sich alle auf Familienangehörige berufen!, weshalb ich hier darüber nichts schreiben möchte.

Betrachten wir lieber sein in Deutschland jedenfalls wirklich wenig bekanntes Beispiel und beten ein wenig mehr für die Sterbenden, daß sie, und sei es im letzten Moment, das Licht nicht verfehlen möchten!

Gereon Lamers 

Der Adventskalender von Konversionen, Tag 16, Ida Gräfin Hahn-Hahn

Der Ausgang meiner Höhle war auf der Spitze eines Berges, und auf dunklen labyrinthischen Wegen gelangte ich dahin. Nun stand ich oben, in freier Luft, in kräftiger Atmosphäre, unter einem unermeßlichen, strahlenden Sternenhimmel, der sich in einem ebenso unermeßlichen Meere rings um mich her abspiegelte. Da sprach neben mir eine Stimme: „Dies ist die Kirche Christi.“ Und ich fiel nieder und betete an. Und die Stimme deutete mir die strahlenden Sternbilder; — da hörte ich Lehren, Mysterien, Worte, wie mein Ohr sie zuvor nie vernommen, wie ich gar keine Ahnung hatte, daß etwas so himmlisch und heilig Liebevolles, so Erhabenes, so die Seele Verklärendes für mich, für uns, für Alle — gelehrt und gegeben werden könne.

Ida Marie Louise Sophie Friederike Gustave Gräfin von Hahn, geboren am 22. Juni 1805, in die Kirche aufgenommen am 26. März 1850, gestorben am 12. Januar 1880 

Das Leben der Schriftstellerin, Lyrikerin und Klostergründerin Ida v. Hahn – es wäre auch heute noch ein “gefundenes Fressen” für die Regenbogenpresse! Aus einem uradeligen mecklenburgischen Adelsgeschlecht gebürtig hatte Ihr Vater das riesige Vermögen mit windigen Theaterprojekten durchgebracht und seine Tochter einem entfernten Vetter gleichen Namens zur Frau gegeben, daher der von ihr präferierte Doppelname „Gräfin Hahn-Hahn“. Die Ehe hielt nur wenige Jahre und Ida, seit ihrer Scheidung finanziell unabhängig, entwickelte sich zu einer völlig unabhängigen, „mondänen” Person, die, unverheiratet, mit ihrem Lebens- und Reisegefährten Adolf Freiherr von Bystram weite Reisen durch Europa und den Orient unternahm und sich parallel zu einer der meistgelesenen deutschen und europäischen Schriftstellerinnen entwickelte; ihre Werke wurden in nicht weniger als acht Sprachen übersetzt. Vorbild war ihr übrigens u.a. die etwas ältere Luise Hensel, die wir ja vor wenigen Tagen  erst hier kennenlernen durften.

Ida Hahn-Hahn (Bild: Wikicommons, Pedantin9)

Als “deutsche George Sand”, “Freie Aristokratin” und “Königin ihrer Zeit” bezeichnet, hinderte aber nicht etwa dieser Lebenswandel, der auch noch weitere Affären kannte (und Möchtegern-Affären, den Fürsten Pückler hat sie abblitzen lassen), den Empfang an etlichen Höfen Europas. Wohl aber zerstörte die Konversion bis dato bestehende Freundschaften und sorgte für regelrechten Aufruhr: Aus dem engeren Umfeld Bismarcks selbst wurden ganze Bücher voll der Polemik gegen sie verfaßt!

Die Bekehrung, ausgelöst durch den Tod ihres langjährigen Gefährten im Mai 1849, war Resultat einer tiefgehenden Lebenskrise und gründlichen Selbstreflexion: 

“Stolz war der Grundzug meines Charakters, die Basis, auf welcher ich mein Leben gründete. Durch ihn sind die Engel aus dem Himmel gefallen und Lucifer in den Abgrund; — ich weiß es! mich hat die Hand meines Gottes gehalten, als es noch Zeit war. Dieser Stolz gab mir ein grenzenloses Bedürfnis innerer Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen von Menschen und Dingen. Ich wollte kein Sklave sein fremder Urteile, fremder Meinungen oder Ansichten; ich mochte weder heucheln noch schmeicheln, um Lob zu hören, Tadel zu meiden. Auch von Gewohnheiten, Verweichlichungen, Bedürfnissen mogte ich nicht abhängen. Es war mir eine Lust, zuweilen etwas zu entbehren und auszuhalten — aber dies war stets etwas Selbstgewähltes. Immer auf eigenen Füßen zu stehen, war mir eine Wonne. Kam irgend ein Sturm, so beugte ich mich und ließ ihn vorüber rauschen. Aber ich blieb auf meinen Füßen — und Gott ließ mich wirklich stehen, so daß ich wer weiß wie oft zu mir selbst sprach: Gott ist für mich, ich kann Alles aushalten. Es begegnete mir eben nichts, was die natürliche Kraft nicht hätte ertragen können; — darin bestand gerade die innere Führung meiner Seele. Denn als der erste, große Schmerz, der einzig wahre Schmerz meines Lebens über mich kam — ja, wo war da die Kraft? Bis dahin hatte ich die Schmerzen überwunden, weil ich mich gegen all ihre Angriffe immer hinter Helm und Schild meines Stolzes und Selbstvertrauens flüchten konnte; — jetzt war das vorbei! ich war im Herzen getroffen und überwunden bis in’s Mark der Seele; denn, so groß der Stolz sein mochte — die Liebe war größer gewesen. Noch behielt ich meine Waffen in Händen, obwohl ich sie nicht mehr brauchen konnte, nutzlos mich beschwerend mit ihrer Last, die mein Leid nur vermehrte und einen unerträglichen Druck mir aufbürdete. Endlich gab ich sie und mich in Deine Hand, mein Herr und mein Gott!”

Freilich, auch die nüchtern geplante Durchführung dieses Vorhabens geschah ganz ‘à la Ida Hahn’: “Glut im Herzen, Eis im Kopf”. Aber so sehr sie diesbezüglich auch “den Taktstock in der Hand” behielt, und so sehr sich auch ihr literarischer Erfolg, nur jetzt eben im katholischen Teil Deutschlands, fortsetzen sollte, ihr weiterer Lebensweg spricht deutlich von der Ernsthaftigkeit der Umkehr! 

Sie folgte nach dessen Berufung zum Bischof von Mainz Wilhelm Emmanuel von Ketteler, der sie in Berlin in die Kirche aufgenommen hatte, dorthin, wo sie im Dezember 1853 das Kloster ‘Vom guten Hirten’ zur Pflege “gefallener Mädchen” gründete und dort bis zu ihrem Tode wohnte, ohne allerdings dem Orden selbst anzugehören. 

Wer möchte kann hier den vollständigen Konversionsbericht unter dem Titel: “Von Babylon nach Jerusalem” nachlesen.

Ich aber kann nur staunen, wo Glanz, Zauber und Schick katholischer Persönlichkeiten geblieben sind. Versuchen Sie mal, an bekanntere (von “berühmt” wollen wir vorsichtshalber gar nicht reden!) katholische Frauen im Deutschland von heute zu denken, ich nenne lieber keine Namen, und kontrastieren Sie sie im Geiste mit Ida Hahn… 🙄

 

Gereon Lamers